E. GOTTES ERSCHAFFUNGSWERK |
1. Die zentri-fugale |
Wir fassen den Mut, uns in die Tiefen Gottes ‘Denkens’ – und ‘Willens’ zu versenken. Diese Eigenschaften – sowohl bei Gott, wie nachher bei dem Menschen, entscheiden darüber, dass das betreffende Wesen Person ist.
Im Laufe unserer WEB-Site wurde darüber schon ein paarmal gesprochen, WIE die Frage des ‘Motivs-Beweggrundes’ beim Tun Gottes selbst verstanden werden soll. Gott ist eben deswegen Gott, weil Er ganz unabhängig von irgendetwas und ‘irgendjemand’ ist. Er ist entweder wirklich Gott und daselbst der Einzige Gott – außerhalb und oberhalb allem Geschöpf, oder es gibt schlechthin keinen Gott.
Dürfen wir aber trotz allem von einem ‘Beweggrund’ beim Handeln reden, nach dem sich Gott richten sollte, verstehen wir es immer von Ihm selbst als Seinem ‘Herzen’. Indem Gott Liebe ist, ‘Liebe’ aber ist sie Selbst dann, wenn sie ganz Hingabe-‘für’ jemanden wird, ist ‘Beweggrund’ allen Handelns bei Gott immer Er-die-Liebe. Oder ein wenig anders: Hingabe seiner Selbst ganzen diesen Wesen, die Er erschaffen wird, um ihnen die Teilhabe daran zu gewähren, Wer Er selbst in Sich ist als Fülle von Leben und Liebe.
Von vornherein muss bei Gott als ‘Beweggrund’ jeder Egoismus ausgeschlossen werden – als ‘Feder’, die seine Schöpfer-Tätigkeit aktivieren sollte. Die Fülle des Lebens und Fülle der Liebe, wie sie Gott ist, kann sich nur mit einer Dynamik kennzeichnen: dieser zentri-fugalen. Gott unterliegt bei der Schöpfung keiner Notwendigkeit, noch keinem Zwang oder Nötigung von außen her. Das Werk der Schöpfung ist bei Ihm Ausdruck der alles überragenden Liebe, die sich freut, sooft sie das Geheimnis des Lebens in seiner unterschiedlichen Abstufung einprägen kann, indem sie dabei die Vielfalt der Anteilhabe vonseiten der Schöpfung am Geheimnis seines eigenen Lebens und seiner eigenen Liebe als des Dreieinigen auslöst.
Gott ‘beginnt’ zu erschaffen, weil die Liebe unmöglich sich nicht freuen kann, wenn sie immer andere Spuren von Leben weckt. Das schöpferische Tun – und im Fall Gottes: sein ‘Erschaffendes’ Handeln bedeutet das naturhafte Element der ‘Liebe’ mit der ihr eigenen Dynamik: der Mitteilung aufgrund der eigenen überströmenden Fülle. So ist der Wille bei Gott selbst. Er strebt nach Schaffen des Guten – und freut sich, wenn es zu existieren beginnt. Dessen Widerklang kann in Worten sowohl des Ersten Buches der Heiligen Schrift, wie des Letzten des Gottes-Geschriebenen-Wortes gefunden werden:
„Gott sprach: ‘Es werde Licht’. – Und es wurde Licht! Gott sah, dass das Licht gut war. ...
... Dann sprach Gott: ‘Das Land lasse junges Grün wachsen, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, und von Bäumen, die auf der Erde Früchte bringen mit ihrem Samen darin’. So geschah es ...
Gott sah, dass es gut war ...
Gott sah alles an, was Er gemacht hatte. Es war sehr gut ...” (Gen 1,4.9.11f.31).
„Würdig bist Du, unser Herr und Gott, Herrlichkeit zu empfangen und Ehre und Macht,
Denn Du bist es, der die Welt erschaffen hat,
durch Deinen Willen war sie und wurde sie erschaffen” (Offb 4,11).
Johannes Paul II. knüpft ganz gern daran an, wie Gott dem von sich erschaffenen Weltall ‘zuschaute’. Auch für uns wird es zum Herzensbedarf, dass wir die „großen Werke” betrachten, die Gott einst vollbringen wird – u.a. im Geheimnis der Menschwerdung, das wir in der „Schule Mariens” im Herzen zu erwägen trachten, sooft wir am Rosenkranz beten, indem wir ein ‘Gegrüßet seist Du, Maria’ nach dem anderen beten:
„... Und tatsächlich, der erste Teil des ‘Gegrüßet seist du, Maria’, der den Worten, die vom Erzengel Gabriel und der heiligen Elisabeth an Maria entnommen ist, ist schließlich eine anbetende Betrachtung des Mysteriums, das sich in der Jungfrau von Nazaret erfüllt. Sie drücken aus, wie man es sagen könnte, die Bewunderung des Himmels und der Erde, und offenbaren in gewissem Sinn das Entzücken Gottes selbst, wenn Er sein Meisterwerk – die Menschwerdung des Sohnes im jungfräulichen Schoß Marias – betrachtet, im Geiste jenes freudigen Anschauens vom Genesisbuch [vgl. Gen 1,31], jenes ursprünglichen Pathos, mit welchem Gott am Morgenrot der Schöpfung dem Werk seiner Hände zuschaute [s. das hier vom Papst angeführte sein Schreiben an die Künstler, 1999, Pkt. 1] ...” (RVM 33).
Ein andermal äußert sich Johannes Paul II. unmittelbar vom Gottes ‘Motiv’, der aus dem biblischen Bericht des Schöpfungswerkes durchscheint – als eben vom Beweggrund der ‘Liebe’:
„... Gott offenbart sich selber vor allem als Schöpfer. Christus beruft sich auf diese grundlegende Offenbarung, wie sie im Buch Genesis enthalten ist. Dem Begriff der Schöpfung ist nicht nur seine durchaus theologische Tiefe eigen.
– Schöpfer ist Derjenige, der ‘aus dem Nichts ins Dasein ruft’, der die Welt und in ihr den Menschen ‘im Sein gründet’ deshalb, weil Er ‘Liebe – ist’ [1 Joh 4,8.16].
– Offen gesagt finden wir dieses Wort: ‘Liebe’ [‘Gott als Liebe’] im Schöpfungsbericht selbst nicht, dennoch wiederholt dieser Bericht mehrmals: ‘Gott sah, dass alles, was Er gemacht hatte, gut war, ... dass es sehr gut war’ [Gen 1, 4.10.12.18.21.25.31]. Mit diesen Worten wird der Weg zur Liebe als dem Göttlichen Beweggrund des Schöpfungswerkes enthüllt, als seine Quelle, die in Gott selbst schlägt, denn nur die Liebe schafft Anfang für das Gute und erfreut sich des Guten [vgl. 1 Kor 13], wie wir es im Genesisbuch lesen ...
– Deshalb bedeutet die Schöpfung als Gottes Tun nicht nur ein Herausrufen aus dem Nichts ins Dasein und die Gründung der Welt und des Menschen in der Welt, sondern nach dem ersten Bericht ... auch eine Bescherung, präziser: eine fundamentale und radikale Bescherung, das heißt die eben aus dem Nichts hervorgeht ...” (ML 117f.).
Es gehört sich aufmerksam die vom Heiligen Vater stark hervorgehobenen Worte zu vernehmen: Bescherung mit Bezug auf alles, was zum Dasein berufen wird. Siehe die zentri-fugale Dynamik, die die eigentliche Liebe kennzeichnet: ‘Ich wünsche Dir, dass Du bist! – Zu Deinem Gut, das in Ewigkeit hin reicht!
2. Zur Existenz vom ‘Nichts’ herausgerufen werden ... |
Bei dem Werk der Schöpfung geht es um die Tatsache, dass etwas vom Nicht-Dasein ins Dasein herausgerufen wird. Es ist nicht leicht dies auszudrücken, noch sich das vorzustellen, was das eigentlich bedeutet: irgendetwas vom ‘Nichts’ zu erschaffen! So lautet die sog. negative Definition des ‘Erschaffungs’-Werkes (s. dazu u.a.: KKK 296; ebd. den Verweis auf das Erste Vatikanische Konzil). So ist eben das Erschaffungs-Tun, das von Gott unternommen wird.
Voraussetzung, dass von ‘Erschaffungs’-Tätigkeit gesprochen werden kann, sind folgende unumgängliche Aspekte:
„Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was Du gemacht hast,
denn hättest Du etwas gehasst, so hättest Du es nicht geschaffen.
Wie könnte etwas ohne Deinen Willen Bestand haben,
oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von Dir ins Dasein gerufen wäre?
Du schonst alles, weil es Dein Eigentum ist, Herr, du Freund des Lebens” (Weish 11,24ff.).
Die Philosophie und Theologie hat noch eine andere, ergänzende Definition des ‘Erschaffungs-Werkes’ erarbeitet, diesmal als positive Feststellung, und zwar:
– Die Erschaffung ist „Berufung zum Sein in seiner ganzen Substanz” [lat.: productio rei secundum totam suam substantiam]”.
Doch wir bemerken sofort, dass weder die negative, noch die mehr positive Definition der ‘Erschaffung’ uns völlig zu befriedigen imstande ist, noch ist sie imstande unser nur menschliches Verständnis des Erschaffungs-Werkes vollständig zu stillen.
– Kein Wunder, dass es auch dem biblischen Autor, als er das Schöpfungswerk darzustellen vor hatte, nicht völlig gelungen ist, irgendwas von negativem Ausgangspunkt beim Bericht über die Erschaffung von Welt und des Menschen zu vermeiden [so die biblische Bezeichnung: „Die Erde aber war wüst und wirr”, den Begriff „Scheiden-Trennen” von Licht-Finsternis, und dieses: „Urflut”: Gen 1,2.3; usw.]. Diese Ausdrücke erfüllen einzig die Rolle eines logischen Ausgangspunktes für den Bericht, dagegen sie stellen entschieden kein chronologisches Ereignis dar.
F. GOTTES ZWECK BEIM WERK |
1. Instrumental zu erschaffen |
Wir suchen weiter, uns in den Sinn Gottes Erschaffungs-Tuns zu versenken. Wir sind uns um die Beschränktheit unseres Verständnisses bewusst, was das intime Leben der Trinität selbst angeht. Und doch fassen wir den Mut die einmal ergriffene Kontemplation-Betrachtung weiter zu führen, indem wir der Weisung des Hl. Paulus folgen:
„Ich ermahne euch also, Brüder, angesichts des Erbarmensgottes,
euch leiblich als lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer darzubringen,
als eueren vernünftigen Gottesdienst ...” (Röm 12,1).
Unser Glaube, der aufgrund der Selbst-Offenbarung Gottes hervorwächst, widersetzt sich niemals dem ‘Verstand’. Wir stellen nur fest, dass sowohl der Glauben, wie die Vernunft-der-Verstand, vom selben Gott herkommen!
Es erscheint die Frage: Möchte Gott etwa ein Wohl für sich Selber aufgrund der Tatsache selbst erreichen, dass Er etwas ‘erschafft’? Wir müssen uns entschieden die Antwort geben, dass keines der Geschöpfe Gott weder etwas ‘dazu zu geben’ imstande ist, noch kann es Ihm irgendetwas ‘schmälern’. Gott ‘braucht’ wirklich keines der Geschöpfe. Kein Geschöpf ist auch imstande, Gott irgendwie an Herrlichkeit einen Schaden zuzufügen, noch anderseits ist keine Sünde, bzw. Verschmähung Gottes imstande, Gott irgendwelchen ‘Schaden’ zu verrichten. Gott ist über alles Geschöpf, oberhalb von allem, was Geschöpf ist und oberhalb von allem, was ein ‘Geschöpf’ von Gott ‘denken und ersinnen’ kann. Dagegen das Geschöpf, das eine Sünde begeht, vollbringt einen nicht wieder gutzumachenden Schaden sich selbst, nicht aber Gott.
Daselbst bekommen wir mittelbar die Antwort auf eine ein wenig andere Hinsicht derselben Frage: Ob nämlich Gott irgendetwas auf ‘instrumentale’ Art und Weise erschafft? Das bedeutete in diesem Fall, dass die ‘Erschaffung’ an sich eines irgend-Etwas oder eines irgend-Jemanden (einer Person) auf ‘instrumentale’ Weise dienen würde, um ein anderes, höheres Ziel zu erreichen. Das geschaffene Wesen würde in solcher Lage auf die Rolle eines ‘Instruments-Werkzeuges’ herabfallen, dessen sich der sich Betätigende bediente, um an ein höheres, dieses eigentlich beabsichtigte Ziel, zu erreichen.
2. Beabsichtigt erschaffen – |
An dieser Stelle gehen wir auf das wesentliche Element im Laufe des hiesigen Kapitels über. Und zwar, nicht alle ‘Geschöpfe’ werden von Gott her auf gleiche Art und Weise gewollt-beabsichtigt. Die einen unter ihnen werden von Gott vom Nicht-Dasein zum Dasein allein ‘instrumental’ hervorgerufen, dagegen die anderen werden „um ihrer Selbst willen” beabsichtigt.
Diese Bezeichnung, die Johannes XXIII. gebraucht (s. Enz. Mater et Magistra, AAS 53 [1961] S. 417), erschien mit ganz starkem Nachdruck auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der „Pastoralen Konstitution über die Kirche in der Welt von Heute – Gaudium et Spes”. Eine grundsätzliche Teilnahme bei ihrer Redaktion fiel dem damaligen Erzbischof von Krakow, Karol Wojtyla zu, der in wenigen Jahren nachher Papst wurde – als Johannes Paul II. Kein Wunder, dass gerade er ganz oft eben dieses Konzilsdokument anführt, in dem auch das folgende Fragment steht, das die Erschaffung des Menschen betrifft:
„Ja, wenn der Herr Jesus zum Vater betet, ‘dass alle Eins seien ... wie auch Wir Eins sind’ [Joh 17,21f], ... legt Er eine gewisse Ähnlichkeit nahe zwischen der Einheit der Göttlichen Personen und der Einheit der Kinder Gottes, die vereint sind in der Wahrheit und der Liebe.
– Diese Ähnlichkeit macht offenbar, dass der Mensch, der auf Erden die einzige von Gott um ihrer Selbst willen gewollte Kreatur ist, sich selber nicht anders voll wiederfinden kann, als nur aufgrund der uneigennützigen Hingabe seiner Selbst” (GS 24; vgl. dazu: Lk 17,33; Joh 12,24f.; usw.).
Es ist wohl nicht allzu leicht, diesen Satz sofort erschöpfend zu verstehen: er wurde mit der Sprache einer bestimmten philosophischen Anthropologie formuliert. In diesem Moment geht es uns vor allem um den zweiten Teil der angeführten Aussage. Und zwar: was bedeutet eigentlich die Wendung: „... der Mensch, der auf Erden die einzige von Gott um ihrer Selbst willen gewollte Kreatur ist, kann sich selber nicht anders voll wiederfinden, als nur aufgrund der uneigennützigen Hingabe seiner Selbst” ?
Die Kirche äußert in dieser feierlichen, präzise formulierten Feststellung ihre Überzeugung des Glaubens, dass dieser eigens beabsichtigte und eigentlich gewollte unter allen erschaffenen Wesen – der Mensch ist, und nur der Mensch.
– Wir übergehen in diesem Augenblick die Erschaffung der Engel. Denn auch die Engel wurden von Gott beabsichtigt-gewollt „um ihrer Selbst willen”. Wir sind uns dabei bewusst, dass wenn die Engel von Gott her ebenfalls „um ihrer Selbst willen” beabsichtigt-gewollt werden, wird es mit identischen Gründen motiviert werden, wie es im Fall des Menschen ist. Dennoch zurzeit beschränken wir uns allein auf den Menschen – als das Geschöpf in vollem Sinn tatsächlich von Gott „beabsichtigte”, das also in eigentlichem Sinn dieses Wortes „Ziel” Gottes Erschaffungstätigkeit darstellt.
Johannes Paul II. entfaltet die Konziliäre Aussage vom Menschen als dem „um seiner selbst willen gewollten” [= seiner Selbst: d.h. dieses Menschen selbst; nicht Gottes !] ausführlich vor allem in seinem ‘Brief an die Familien’ (1994), wo er ihr eine längere Erwägung widmet (s. BF 9). Vorläufig lassen wir die eingehendere Erörterung dieser Aussage sein, um zum Kontrast an das ganze übrige ‘Geschöpf’ zu überspringen. Ist nämlich der Mensch: Mann und Frau – das „... einzige auf Erden Geschöpf, das Gott um seiner Selbst willen ... beabsichtigt-gewollt hat”, bedeutet das, dass die ganze übrige Wirklichkeit von Gott zur Existenz gerufen worden ist als „nicht – um ihrer Selbst willen gewollte”.
Kräftig gesagt muss festgestellt werden, dass der ganze übrige Kosmos, sowohl dieser Makro-, wie der Mikro-Kosmos, von Gott her nur ‘instrumental’ erschaffen worden ist. Die Welt, wenn auch so schön, die mit dem menschlichen Auge unmöglich umfangen werden kann, samt ihrer Flora und Fauna, entzückenden Ansichten von Gebirge und Meertiefen, der Majestät des Himmelgewölbes mit Abertausenden auffunkelnden Sternen, die Welt der erstaunenden Möglichkeiten der menschlichen Geisteskraft, die zu kosmischen Fahrten führt, und dann derselben menschlichen Vernunft, die die Abgründe des Mikrokosmos erforscht mit immer weiter entwickelter Vergrößerungs-Apparatur – all das erfüllt nach Gottes Vorhaben eine nur unterordnete – dienstliche Rolle.
Die Berufung zum Dasein des Kosmos dient gemäß des Schöpfer-Plans zur Erreichung eines anderen, wesentlich höheren Ziels. Die Schönheit und die unübertrefflichen Geheimnisse der Natur, die der Mensch seit so vielen Jahrtausenden entdeckt – wird von Gott nicht „um seiner Selbst willen gewollt-beabsichtigt”, also nicht um dieser Schönheit willen, noch ihrer überwältigenden, und zugleich entzückenden Unermesslichkeit. Am Kosmos hat es Gott gleichsam nicht gelegen, auch wenn Er ihn mit ‘Schwung’ erschaffen hat – entsprechend Seiner Größe als „König der Könige und Herr der Herren” (Offb 19,16). In Gottes Begriff spielt das alles eine nur instrumentelle Rolle. Der Kosmos wird erschaffen im gewissen Sinn sekundär – rein instrumentell: um des Menschen willen. Denn der eigentlich Beabsichtigte ist in Gottes Vorhaben – der Mensch; und nur der Mensch!
Diese Feststellung, die aufgrund eines aufmerksameren Hinblicks auf Gottes Offenbarung herkommt, führt zum freudevollen Bewusstwerden um die Größe und Würde des Menschen im Begriff vonseiten der Trinität selbst. Der Mensch, das lebendige „Ebenbild und Ähnlichkeit Gottes”, erblickt sich selber als beinahe extrem erhöhten über alles übrige Geschöpf. Nicht die Sonne und die Heeren der Galaktiken, noch die unermesslichen Kräfte der Natur sind ‘König’ der Welt nach dem Begriff des Dreieinigen! Zum König und Herrn des Kosmos wird der sterbliche, unbedeutende, und dabei – wie es sich in Kürze zeigt: unwahrscheinlich sündhafte und fortwährend rebellische ... Mensch angestellt.
3. Um des Menschen willen erschaffenes Nest |
Wozu erschafft also Gott den unübersehbaren Kosmos mit seinen Millionen und mehr ‘Lichtjahren’, die den irdischen Planet von den entfernten Ecken des Weltalls trennen, das sich vielleicht weiter ausweitet? Es ist nicht schwer, die Antwort darauf zu finden!
Ist dieser eigentlich Gewollte bei dem Erschaffungs-Tun Gottes der Mensch – und nur der Mensch, bereitet ihm Gottes Güte zuerst ... Vorbedingungen, dass er da zu sein, sich irgendwo bewegen und seine Begabtheiten entwickeln kann. Beginnen die Schwalben an Weitergabe des Lebens zu ‘denken’, treten sie zuerst daran, ein Nest zu formen, wo zeitbeschränkt ihre ‘Nachkommenschaft’ wohnen könnte. Mit was für einer Sorgfalt bauen-mauern diese kleinen Geschöpfe dieses Nest! Wie viel Flüge verrichtet der Schwalben-‘Vater’ und die Schwalben-‘Mutter’, um es aufzubauen, sollte es sich auch nur an einer Kante der Mauer halten! Die Schwalben bereiten die ‘Unterkunft’ für ihre Nachkommenschaft deswegen vor, weil es ihnen einen solchen elterlichen Betätigungs-Mechanismus der Dreieinige eingeprägt hat – in Form gerade solcher, gezielter Instinkte.
Um wie viel größeres, in kosmischen Ausmaßen, bildet die Güte des Dreieinigen ein ‘Nest’, samt einem unermesslichen ‘Auslauf’ – für den ‘König der Schöpfung’: Gottes Ebenbild angesichts des Kosmos, den Menschen-den-Mann, den Menschen-die-Frau ! Wie ganz ‘entzückt’ schaut Gott wohl zu, gleichsam von der ‘Distanz’ aus, und beobachtet, wie sich sein lebendiges Ebenbild bei der Einrichtung dieses Kosmos ‘zurechtfindet’, bei seiner Vervollkommnung und Benutzung der in ihm verborgenen, unwahrscheinlichen Möglichkeiten!
All das hat seine Niederschrift im Gottes-Geschriebenen-Wort gefunden:
„Gott segnete sie [Mann und Frau] und sprach zu ihnen:
‘Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde!
Unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres,
über die Vögel des Himmels und über alle Tiere ...’!
Hiermit übergebe Ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde ... Und alle Bäume ...
Euch sollen sie zur Nahrung dienen ...!” (Gen 1,28f.).
Im Bericht von Gen 2 lesen wir:
„Jahwéh-Elohim [Gott, der Herr] nahm also den Menschen
und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte ...” (Gen 2,15).
Johannes Paul II. fügt im Anschluss auf die Aufgaben, die Gott dem Menschen anvertraut – schon in seiner ersten Enzyklika, einen ethischen Kommentar hinzu hinsichtlich der sich fixierenden Erschütterung des Gleichgewichts zwischen der Ethik und dem technischen Fortschritt:
„Der Mensch scheint oft keine andere Bedeutung seiner natürlichen Umwelt wahrzunehmen, als allein jene, die den Zwecken des sofortigen Gebrauchs und Verbrauchs. Dagegen der Schöpfer wollte, dass der Mensch seinen Umgang mit der Natur als bedachtsamer und edler ‘Herr’ und ‘Hüter’ pflegte, nicht aber als rücksichtsloser ‘Ausbeuter’ ...” (RH 15).
G. GRUNDLAGE DER GRÖSSE |
1. Noch einmal: |
Wir müssten uns noch einmal um die Grundlagen bewusst werden, die über die Größe des Menschen und seine Würde entscheiden. Diese Frage wurde von uns schon ein paarmal erwogen (s. ob.: Anforderungen an die menschliche Natur – und: Grundsätzliche Ausstattung der menschlichen Natur: Vernunft-Wille-Verantwortung – und auch noch: Der Mensch – die Person).
Also – um der Erinnerung halber:
Gott hat den Menschen mit ein paar Gaben ausgestattet, die ihrem Wesen nach un-abdingbar und un-abtrittbar sind. Dank ihrer ist der Mensch – eben Mensch. Diese Eigenschaften treten bei keinem anderen Geschöpf hervor – wir übergehen hier offenbar weiter die Engel. Sie stellen die natürliche Ausstattung eines jeden Menschen dar, unabhängig von seiner Entwicklungsphase, seiner physischen und geistigen Gesundheit und unabhängig davon, ob der betreffende Mensch entsprechend der ihm dargeschenkten Menschenwürde handelt, oder sie erniedrigt.
„Im Innern seines Gewissens entdeckt der Mensch ein Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen soll und dessen Stimme ihn immer zur Liebe und zum Tun des Guten und zur Unterlassung des Bösen anruft und, wo nötig, in den Ohren des Herzens tönt: Tu dies, meide jenes.
Denn der Mensch hat ein Gesetz, das von Gott seinem Herzen eingeschrieben ist, dem zu gehorchen eben seine Würde ist und gemäß dem er gerichtet werden wird [vgl. Röm 2,14ff.]” (VSp 54; GS 16).
Keine menschliche Macht, kein ideologisches System und keine Anti-Erziehung können ein völliges Stillschweigen der erwähnten „Stimme” herbeiführen, die es fordert, auch wenn sie es nicht aufnötigt, dass ihr „Gehorsam” verschafft wird. Allen Meinungen zum Trotz, die alles was das ‘Gewissen’ betrifft, gern streichen möchten, besteht es – unabhängig vom Milieu, in dem der betreffende Mensch waltet und unabhängig vom persönlichen moralischen Niveau. Noch mehr, wie mit Nachdruck das Zweite Vatikanische Konzil hervorhebt:
„Das Gewissen ist die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen,
wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinen Innersten zu hören ist” (GS 16).
„Es ist die ‘Gottes Stimme’ selbst, auch dann, wenn der Mensch in ihr nur das Prinzip der moralischen Ordnung anerkennt, an dem man menschlich nicht zweifeln kann, ohne direkten Bezug auf den Schöpfer; gerade in diesem Bezug findet das Gewissen immer seinen Grund und seine Rechtfertigung” (DeV 43).
„Das Gewissen schließt den Menschen nicht in eine unüberschreitbare und undurchdringliche Einsamkeit ein, sondern öffnet ihn für den Ruf, für die Stimme Gottes.
– Darin und in nichts anderem besteht das ganze Geheimnis und die Würde des Gewissens: dass es nämlich der Ort ist, der heilige Raum, in dem Gott zum Menschen spricht” (VSpl 58; die angeführte Ansprache [General-Audienz, 17 August 1983], 2: Insegnamenti, VI, 2 [1983], 256).
Bei Tieren kann vom ‘Gewissen’ nicht gesprochen werden. Die Gebote gelten für Menschen, also für Personen. Sie setzen nämlich Eigenschaften voraus, die der menschlichen Person eigen sind, angefangen von ihrer grundlegenden Ausstattung – mit Vernunft, d.h. von der Befähigung zum Selbst-Bewusstsein.
Johannes Paul II. formuliert diese Tatsache mit ungemeiner Klarheit – und sei es auch im Anschluss an den von der Umgebung ausgeübten Druck, bzw. die ‘Strukturen der Sünde’, die die Verantwortung vermeintlich vermindern, oder völlig löschen sollten, wie manche dazu zu überzeugen möchten:
„Darum gibt es in jedem Menschen
nichts mehr persönliches und unübertragbares,
wie der Verdienst aus der Tugend
oder die Verantwortung für die Schuld” (RP 16).
Zur Illustration der besprochenen Eigenschaften mit Bezug auf die Größe und Würde der menschlichen Person dürfte wiederholt die schon ein paarmal dargestellte Graphik angeführt werden. Hier sieht man die Ordinate [Pfeilchen nach oben: Verstand-Vernunft], die Abszisse [Pfeilchen nach rechts: der freie Wille], und die Diagonale dieser beiden Kräfte: die Verantwortung. Jede dieser Eigenschaften des menschlichen Geistes, aber daselbst der Gesamtheit der menschlichen Person, ist un-abtrittbar und un-veräußerlich.
2. Der sein lebendiges Ebenbild ... |
Als Vater, bzw. als die beste Mutter (s. dazu z.B. Jes 49,15; 66,13), bereitet Gott dem Geschöpf seiner ‘Vorliebe’: dem Menschen-dem-Mann, dem Menschen-der-Frau ununterbrochen ‘Sendungen’ – auf immer nur einer Welle: der Welle der Liebe. Er bietet ihm beständig sein Gottes: „Ich liebe Dich, Du mein lebendiges Ebenbild” ! Wie könnte es eigentlich anders sein! Der Dreieinige erschafft doch den Menschen – und nur ihn, als sein lebendiges Ebenbild und seine Ähnlichkeit. Gott hält als ‘nichts’ den ganzen Kosmos, um nur eben mit ihm: seinem lebendigen Ebenbild, Kontakt knüpfen zu können!
In bisherigen Erwägungen haben wir schon so manche Aussage des Geschriebenen-Gottes-Wortes über Gottes Liebe und seine eigenartige liebevolle ‘Sehnsucht’ nach dem Menschen angeführt. Verspürt man diese, mit Liebe vibrierende Sehnsucht nicht etwa z.B. im zweiten Teil des Jesaja-Buches, wo Gott sein Volk in erster Person anspricht, also Er spricht hier im Stil einer Selbst-Offenbarung?
Diese Beobachtung stellt etwas ganz unerhörtes dar, wenn man dazu die Literatur irgendwelcher anderer Religion beachtet. Das Fragment, das hier gleich angeführt wird, knüpft an Erlebnisse der Babylonischen Gefangenschaft Israels nach der Zerstörung von Jerusalem 586 vor Chr. an. Das Volk der Erwählung Gottes fand sich dort als ob eine von ihrem Mann gerecht verlassene Frau – wegen ihres ständigen Ehebruchs, in diesem Fall infolge Israels Sünden gegen das Erste Gebot, das gerade die Liebe zu Gott „von ganzem Herzen” betrifft:
„Doch Zion sagt: Der Herr hat mich verlassen, Gott hat mich vergessen.
Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn?
Und selbst wenn sie ihn vergessen würde, Ich vergesse dich nicht.
Sieh her: Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände,
deine Mauern habe ich immer vor Augen ...” (Jes 49,14ff.).
Gottes ‘Bekenntnis’, dass Er die Seine ‘Geliebte’, also das Volk seiner Erwählung auf „beiden seinen Händen” eingeprägt hat, stellt etwas Unerhörtes dar! Stimmt dieses ‘Bekenntnis’ der eigenen Liebe angesichts des Geschöpfes seiner Vorliebe: des Menschen, nicht etwa im wörtlichen Sinn mit der Sprache der Selbst-Offenbarung überein, mit der Jesus zur Hl. Schw. Faustyna spricht – im Fragment, das unter dem Titel vorkommt: „Gespräch des Barmherzigen Gottes mit der sündigen Seele”:
„... O, wie wertvoll ist Mir deine Seele.
Ich habe dich auf Meinen Händen eingeschrieben.
Du hast dich mit einer tiefen Wunde in Meinem Herzen eingeritzt ...” (TgF 1485).
Und hier noch andere solche, nur beispielsweise angeführte Aussagen des Gottes-Geschriebenen-Wortes des Alten, wie Neuen Testaments. Man sieht hier dauernd denselben Gott ob in der Epoche vor Christus, oder nach Christi Geburt:
„Mit ewiger Liebe habe Ich dich geliebt,
deshalb habe Ich dir meine Huld bewahrt ...” (Jr 31,3; Text: JB).
„Gott aber, der reich ist an Erbarmen, hat um seiner großen Liebe willen,
mit der Er uns liebte, die wir tot waren durch Übertretungen,
mit Christus zusammen lebendig gemacht ...” (Eph 2,4; Text: JB).
„Ihm, Der uns liebt und durch sein Blut uns gewaschen hat von unseren Sünden
und uns zu einem Königtum von Priestern für seinen Gott und Vater gemacht hat,
Ihm gebührt die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen” (Offb 1,5f.).
3. In Erwartung auf Gegenseitigkeit |
Wo Liebe ist, gibt es außer Zweifel auch das Gespräch untereinander. Die Liebe drückt sich in ihrem Bekenntnis aus. Dieses aber möchte Gegenseitigkeit auslösen. Es wurde schon mehrmals nach Johannes Paul II. hervorgehoben, dass die Liebe ihrem Wesen nach den Raum der Freiheit des Willens voraussetzt. Sollte das ‘Lieben’ erst als Ergebnis der etwa angewandten äußeren oder inneren Nötigung zustande kommen, wäre es alles andere, nicht aber Liebe. Es wäre Knechtschaft mit Hass im Herzen und Umschauen ringsherum nach einer ersten besseren Gelegenheit, um das Joch dieser Versklavung von sich abzuschütteln. Die Beziehungen würden auf Dressur beruhen, die nichts mit Liebe zu tun hätte.
Kein Wunder, wenn Johannes Paul II. so eindeutig betont:
„Nur die Person kann lieben,
und nur die Person kann geliebt werden" (MuD 29).
Wir verstehen es schon: die Wirklichkeit, die hinter dem Wort ‘Liebe’ verborgen ist, kann Tiere nicht betreffen. Das Tier ist keine Person: es fehlen bei ihm jene drei unveräußerlichen Eigenschaften: die Vernunft, Freiheit, Verantwortung. Ohne diese gibt es keine ontologischen Grundlagen, dass Liebe erscheinen kann. Die oft wiederholte Wiederkehr an dieses Thema auf dieser WEB-Site ist wohl imstande, in unser Unterbewusstsein immer reifer einzudringen. Daselbst kann die Größe und Würde des Menschen als Person: des lebendigen Gottes Ebenbildes, immer tiefer bewusst erfasst werden.
Jetzt aber kehren wir noch einmal auf die Tatsache des Erschaffungs-Werkes zurück. Wir berufen uns von neuem mit Dank auf die uns teuren Erwägungen Johannes Paul II. Der Heilige Vater bemerkt – im Anschluss auf das „Geheimnis der Erschaffung”, d.h. des Da-zu-Seins der Welt aufgrund des Willens dieses Gottes, der Allmacht [= Leben] und Liebe ist (ML 118):
„Infolgedessen trägt jedes Geschöpf in sich das Merkmal der Gabe als das aller-urpsrünglichste und fundamentale.
Dabei kann sich aber der Begriff des ‘Beschenkens’ nicht auf das Nichts beziehen. Es weist auf den Beschenkenden – und den Beschenkten, wie auch auf die Beziehung, die zwischen ihnen entsteht.
Und zwar diese Beziehung taucht im Schöpfungsbericht samt dem Menschen auf. Von dieser Beziehung spricht vor allem die Wendung: ‘Gott schuf den Menschen, nach Gottes Ebenbild schuf Er ihn’ ...” (ML 118).
Wir sind mit der Richtigkeit der Beweisführung des Heiligen Vaters ganz einverstanden. Konnte etwas vom Nicht-Dasein ins Dasein – überhaupt nicht einmal herausgerufen werden, ist die Beschenkung dieses erschaffenen Wesens mit Dasein reine Gabe. Allerdings die Tatsache allein, eine ‘Gabe’ empfangen zu haben, müsste von allein den Akt der Gegenseitigkeit auslösen: des Dankes für die erfahrene Bevorzugung – in diesem Fall aufgrund der Tatsache der so radikalen Beschenkung: mit dem Dasein – im äußersten Gegensatz zur Nicht-Existenz. Kein Geschöpf ist imstande dies vollständig zu werten und dem Schöpfer für das ihm geschenkte Dasein ... sich gehörig zu bedanken !
Umso mehr angemessen ist aber die weitere Anmerkung des Heiligen Vaters. Und zwar, dass damit die ‘Gabe’ die Chance hat, die Gegenseitigkeit (den Dank) zu erwarten, muss es noch zuerst ein personales Band zwischen dem, der beschenkt, und dem, der diese Beschenkung erfährt geben. Sollte die ‘Beschenkung in die ‘Leere’ gerichtet werden, wäre sie von vornherein auf Misserfolg verurteilt, die Person aber, die diese ‘Gabe’ bereitet hat, müsste als ... unvernünftig bezeichnet werden! Die ‘Gabe’ wäre von vornherein verfehlt und müsste als reiner Verlust gelten.
So müssen wir für die Tiefe der Päpstlichen Erwägungen einmal mehr schön danken. Er bemerkt nämlich, dass die Beziehung der ‘Gegenseitigkeit’ nach dem biblischen Bericht samt Gottes Beschenkung mit Dasein – erst des Menschen erscheint. Ihn erhöht Gott zur Ebene des „Subjekts des Bundes” und „Partners des Absoluten” (ML 76). Mit ihm – und nur mit ihm wird der Dreieinige Kontakt knüpfen: auf der so weit vorangeschobenen Ebene – bis zur Liebe selbst. Gott möchte mit ihm sprechen – „Gesicht zu Gesicht, wie man mit dem Freund spricht” (Ex 33,11; Dtn 5,4; 34,10; vgl. 1 Kor 13,12; 1 Joh 3,2)!
– Trotzdem es zwischen dem Menschen und Gott einen Abgrund gibt: der Mensch ist nur ‘Geschöpf’, das es überhaupt ... nicht geben musste! Und außerdem: Gott ist seinem Wesen nach geistiger Natur, wogegen Mensch-der-Mann und Mensch-die-Frau körperlich-geistige Wesen sind, allerdings mit dem ihnen, jedem einzeln, im individualisierten Akt der Schöpfung eingeprägten seinem „Gottes Ebenbild” (vgl. KKK 366; BF 9). Erst diese Tatsache: die Erhöhung des Gottes Ebenbildes, ermöglicht es, ein Gespräch der Liebe mit dem Dreieinigen aufzugreifen.
Wir führen die weitere Erwägungsfolge Johannes Paul II. an:
„Im ganzen Bericht der Erschaffung der sichtbaren Welt hat die Beschenkung einen Sinn nur um des Menschen willen. Nur von ihm soll im ganzen Schöpfungswerk als vom Beschenkten gedacht werden: die sichtbare Welt wurde ‘für ihn’ erschaffen ... Die Schöpfung ist Beschenkung, weil der Mensch in ihr erschienen ist. Als ‘Gottes Ebenbild’ ist der Mensch fähig den Sinn selbst der Gabe in der Berufung vom Nichts zum Dasein zu identifizieren. Er ist auch fähig die Antwort dem Schöpfer mit der Sprache dieser Identifikation zu geben.
– Wird der Schöpfungsbericht eben mit dieser Sprache gedeutet, kann daraus geschlossen werden, dass die Schöpfung eine grundlegende und ursprüngliche Beschenkung darstellt: der Mensch erscheint in der Schöpfung als der mit der Welt Beschenkte, dagegen die Welt – mit dem Menschen” (ML 118f.).
Diese Worte knüpfen schon direkt an die Senkrechte an: der Mensch, Gottes Ebenbild – und Gott. Der Heilige Vater führt seine Erwägungen weiter: er knüpft nämlich an den im biblischen Bericht betonten grundlegenden „Mangel” im Schöpfungswerk des ersten Menschen an: als jemandes, der „einsam” war: „Keines der Lebewesen [= der Tiere] ... bietet dem Menschen die Möglichkeit in Beziehung der gegenseitigen Hingabe zu sein” (ML 120). Gott hat diesem Mangel ‘abgeholfen’, indem Er den Menschen-die-Frau erschaffen hat. Der erste Mensch lernt sie – endlich, „dieses Mal” (Gen 2,23), als Person kennen: die Frau teilt zusammen mit ihm dieselbe Natur: des Menschen als der Person.
Diese Feststellung hebt aber nur umso kräftiger den von Grund aus des Seins herströmenden, elementaren Bedarf nach Beziehungen aufgrund der gegenseitigen Hingabe. Sowohl auf dem ‘Niveau’ Mensch und Mensch, wie auf der ‘Senkrechte’ Gott und der Mensch.
Hier weitere Worte Johannes Paul II.:
„Die Hingabe enthüllt nämlich sozusagen die besondere Regelmäßigkeit des personalen Existierens, ja des personalen Daseins ...
– Wenn Jahwe-Elohim [= Gott] feststellt: ‘Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt’ [Gen 2,18], weist Er hin, dass er ‘allein’ diese Regelmäßigkeit nicht erfüllt. Er erfüllt sie, wenn er ‘mit irgendjemandem’ da ist – und noch tiefer, noch gründlicher: wenn er ‘für jemanden’ da ist ...
– Die Kommunion von Personen bedeutet das Sein in gegenseitigem ‘für’, in Beziehung der gegenseitigen Gabe ...” (ML 120f.).
4. Erwiderung |
Kehren wir jetzt darauf zurück, dass der Mensch als Mensch in der Welt erschienen ist – im Gegensatz zum ganzen übrigen Kosmos, verstehen wir, dass allein der Mensch, als lebendiges Gottes Ebenbild, d.h. als Person – im Kosmos befähigt ist, sein Da-zu-sein zu ‘erblicken’ und daselbst zu ‘verstehen’ als radikale Beschenkung vonseiten der „Liebenden Allmacht” des Schöpfers. In ontologischer Folge dieser ‘Entdeckung’ ist auch allein der Mensch fähig – und noch mehr: verpflichtet, sich zum Schöpfer aufgrund der Gabe der Gegenseitigkeit zu beziehen. Solche Gegenseitigkeit soll sowohl als persönlicher Akt der erwiderten Liebe erscheinen, als auch als Akt der Dankbarkeit im Namen des übrigen Geschöpfes, das – indem es Person nicht ist, daselbst dem Schöpfer unmöglich seinen Dank, noch irgendwelche Liebe für die Berufung zum Existieren zu erweisen befähigt ist.
Die Erfüllung dieser Pflicht einer Gegenseitigkeit ist insofern dringende Aufgabe, dass die ganze vernunftlose Schöpfung vonseiten des Schöpfers einmal mehr Gottes Gabe ist, die eben dem Menschen dargeboten worden ist: die Welt wurde einzig als das dem Menschen geschenkte, unermessliche ‘Nest’ und Ort erschaffen, in dem sich der Mensch einrichten werden kann!
– So verstehen wir besser das Päpstliche Wort:
„Nur die Person kann lieben, und nur die Person kann geliebt werden.
Dies ist die Feststellung zunächst ontologischer Natur [= Erfordernis des Seins selbst, das aus der Tatsache des Da-zu-Seins herkommt],
weiter aber taucht daraus die Feststellung ethischer Natur hervor [= denn so ist der Sinn des Da-Seins: Befähigung zur Liebe, weil Beschenkung mit Würde der Person, demzufolge die Verpflichtung zu lieben – erscheint].
– Die Liebe ist ontische und ethische Pflicht der Person.
– Die Person soll geliebt werden; denn allein die Liebe entspricht dem, WER Person ist.
So erklärt sich das Gebot der Liebe ...
So erklärt sich auch jener Vorrang der Liebe, dem die Worte des Paulus vom Ersten Korintherbrief Ausdruck geben: ‘Am größten unter ihnen ist die Liebe’ ... [1 Kor 13,13]” (MuD 29).
Wir verstehen es: der Dreieinige erwartet, oder mehr präzise: Er schaut sehnsuchtsvoll aus, oder selbst noch mehr radikal: Er provoziert sein lebendiges Ebenbild zum Akt der Gegenseitigkeit angesichts Seiner Schöpfungs-Liebe.
– Sind dessen Echo nicht etwa Worte, die Jesus Christus der Auferstandene – in wiederholten kurzen Zeitabständen – an Simon-Petrus gerichtet hat? Da kommt das rührende Fragment in Erinnerung, das diesem Ereignis Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Brief über das Rosenkranzgebet gewidmet hat:
„In Christus hat Gott wirklich ein Herz von Fleisch angenommen. Er hat nicht nur ein Göttliches Herz, reich an Barmherzigkeit und Vergebung, sondern auch ein menschliches Herz, fähig zu allen Gefühlsregungen.
Sollten wir dazu ein Zeugnis aus dem Evangelium benötigen, würde es nicht schwer fallen, dieses im bewegenden Dialog Christi mit Petrus nach der Auferstehung zu finden: ‘Simon, Sohn des Johannes, liebst du Mich?’ Bis zu dreimal stellt der Herr diese Frage, bis dreimal erfolgt die Antwort: ‘Ja, Herr, du weißt, dass ich Dich liebe!’ [vgl. Joh 21,15ff].
– ... niemandem kann die Schönheit dieser dreifachen Wiederholung entgehen, in der sich die hartnäckige Frage und die mit ihr übereinstimmende Antwort in Worten ausdrücken, die von allgemeiner Erfahrung der menschlichen Liebe her gut bekannt sind” (RVM 26).
Ergibt sich dieselbe sehnsüchtige Erwartung nicht auch schon aus dem rührenden Gleichnis Jesu vom Vater, der immer wieder dem unwürdigen seiner Liebe verlorenen Sohn entgegengeht? Auch Er, der Vater, hat ihn der Erste erblickt: „Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und wurde von Erbarmen bewegt, lief herbei, fiel ihm um den Hals und küsste ihn” (Lk 15,20; Text: BJ)? Ähnliche mehrere Aussagen könnten schon vom Alten Testament angeführt werden, sei es z.B. vom Buch des Jeremia (Jer 3,12.14.22; 4,1.14; usw.).
5. Begegnung auf Ebene |
Zum Erweis der Gegenseitigkeit-in-Liebe angesichts des Schöpfers wird beim Menschen, dem lebendigen Gottes Ebenbild, vor allem sein ‘Herz’ berufen, das auch ‘Gewissen’ genannt wird, oder noch anders: „die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinen Innersten zu hören ist” (GS 16).
Der Dialog mit Gott-der-Liebe kann selbstverständlich auf mehrere verschiedene Arten und Weisen geführt werden. Der Mensch ist nicht ausschließlich ‘Geist’ – so ist das Wesen der Engel. Daher nimmt auch der unmittelbare Kontakt, also der Dialog – mit dem Schöpfer, eine Form an, die seiner geistig-körperlichen Natur entspricht. Dennoch das ‘menschliche’ Gespräch an sich mit dem ‘nach Kontakt als einem: Ich und Du, sehnsüchtig erwartenden’ Dreieinigen kann letztlich allein in den Tiefen des menschlichen Seins erfolgen, die als sein ‘Herz’ bezeichnet wird. Allein Jesus Christus – und in seiner Spur die Kirche, „steigt in die Tiefe der menschlichen Gewissen hinab, indem Er das innere Geheimnis des Menschen berührt, dieses, das in der biblischen und außerbiblischen Sprache auch mit dem Wort ‘Herz’ bezeichnet wird. Christus, der Erlöser der Welt, ist Derjenige, der in einzigartiger und unwiederholbarer Weise das Geheimnis des Menschen berührt hat, der in sein ‘Herz’ eingetreten ist” (RH 8). Es ist Derjenige, der „von keinem ein Zeugnis über den Menschen brauchte. Denn Er wusste, was im Menschen ist” (Joh 2,25).
In den oben angeführten Aussagen über das Gewissen wurde schon hingewiesen, dass das Gewissen der Ort ist, in dem der beiderseitige Dialog zwischen Gott und Gottes lebendigem Ebenbild erfolgt:
„... das Gewissen ist Zeugnis von der Rechtschaffenheit bzw. Schlechtigkeit des Menschen, das dem Menschen selbst abgelegt wird, aber zugleich – und sogar vor allem – ist es Zeugnis vonseiten Gottes selbst, dessen Stimme und Urteil das Innere des Menschen bis an die Tiefen seiner Seele durchdringen, indem sie ihn fortiter et suaviter [lat.: entschieden und doch milde] zum Gehorsam rufen: ‘Das Gewissen schließt den Menschen nicht in eine unzugängliche und undurchdringliche Einsamkeit ein, sondern öffnet ihn für den Ruf, für die Stimme Gottes. Darin und in nichts anderem besteht das Geheimnis und die Würde des Gewissens: dass es der Ort ist, der heilige Raum, in dem Gott zum Menschen spricht’ ..." (VSpl 58).
Hier ist also der eigentliche Ort ‘im Menschen’, wo Gottes Ebenbild dem Dreieinigen sein Wort sagen kann: „Gott, ich liebe Dich”, oder auch – Gott bewahre, wo dasselbe Gottes Ebenbild dem Schöpfer das andere Wort zu sagen imstande ist: „Ich will Dir nicht dienen” (vgl. Jer 2,20)! Das Gewissen jedes einzelnen Menschen wird so zum Schauplatz eines immerwährenden Ringens der menschlichen Freiheit und Liebe – mit Gottes Liebe.
Es dürfte hier das charakteristische Wort des Hl. Augustinus angeführt werden, das von Johannes Paul II. gern verwendet wird:
„Darin wird deutlich, dass die Geschichte nicht einfach einen Vorgang darstellt, der unbedingt zum Besseren führt, sondern Ergebnis der Freiheit ist, oder eher des Kampfes zwischen entgegengesetzten Freiheiten, das heißt – nach der bekannten Bezeichnung des Hl. Augustinus, Konflikt zwischen zweierlei Lieben: der Liebe Gottes bis hin zur Verachtung seiner Selbst – und der Liebe zu sich, bis hin zur Verachtung Gottes" (FC 6; s. DeV 38).
Auf dem Terrain des ‘Herzens-Gewissens’ wird es sich wiegen, ob der Mensch der Stimme Gottes zuhört, die ihn zur Liebe Gottes „mit ganzem Herzen, und den Nächsten wie sich selbst” ruft (vgl. Mt 22,37-40). Hier erfolgt der Gebets-Dialog mit dem Himmlischen Vater, an Den es dem Gottes lebendigen Ebenbild erlaubt ist, sich mit Worten zu wenden, die vom Sohn Gottes selbst vorgeschlagen worden sind, wobei Er der Einzige ist, der den „Vater – kennt” (s. Joh 17,25): „Vater Unser, der Du bist im Himmel ...” (Mt 6,9-13; Lk 11,2ff).
Es sollten wieder Erwägungen Johannes Paul II. angeführt werden, dieses Mal im Anschluss an das ‘Gebet’:
„Im Gebet entwickelt sich jener Dialog mit Christus, dank dem wir zu seinen Freunden werden: ‘Bleibt in Mir, dann bleibe Ich in euch’ [Joh 15,4]. Diese Gegenseitigkeit ist das Wesen selbst, ist die Seele des christlichen Lebens ...
Sie wird in uns vom Heiligen Geist gewirkt, sie öffnet uns aber – durch Christus und in Christus – für die Kontemplation des Antlitzes des Vaters.
– Diese Trinitäre [= betrifft die ganze Heilige Dreifaltigkeit: Gott den Vater, den Sohn, den Heiligen Geist] Logik des christlichen Gebetes zu lernen, sie vor allem in der Liturgie ... aber auch in der persönlichen Erfahrung leben, dies ist das Geheimnis eines wirklich lebendigen Christentums, das sich vor der Zukunft nicht zu fürchten braucht, weil es unablässig zu den Quellen zurückkehrt und aus ihnen neue Kräfte schöpft” (NMI 32).
Das Gebet betrifft offensichtlich ein Thema für sich. Es geht in erster Reihe um das individuelle, persönliche Gebet des einzelnen Menschen, aber es gibt auch das gemeinschaftliche Gebet, z.B. das Gebet der ganzen Familie, bzw. einer Gemeinschaft in ihren verschiedenen Formen. In dieser ihren Gestalt gilt für sie eine besondere Verheißung vonseiten Christi selbst: „Denn wo zwei oder drei in Meinem Namen versammelt sind, da bin Ich mitten unter ihnen” (Mt 18,20).
– Es gibt das Gebet der Kirche: das Liturgische Gebet, wie anderseits das mehr private, persönliche Gebet. Es gibt Mundgebete, allerdings man soll danach streben, dass auch das Betrachtungsgebet gepflogen wird, das mit dem Leben selbst als Gebet erfahren wird, wie auch das kontemplative Gebet, usw.
Hier ein weiteres Fragment von Johannes Paul II.:
„... Unsere christlichen Gemeinden müssen wahre ‘Schulen’ des Gebetes werden, wo die Begegnung mit Jesus nicht allein auf Seinem Flehen um Hilfe beruht, sondern sich auch in Danksagung ausdrückt, in Lob, Anbetung, Kontemplation, Zuhören, in glühendem Eifer der Gefühle, bis hin zu einer wahren ‘Bezauberung’ des Herzens. Es soll also ein tiefes Gebet sein, das jedoch nicht hindert, an den zeitlichen Anliegen teil zu nehmen. Denn während es die Herzen für die Liebe Gottes öffnet, öffnet es sie auch für die Liebe zu den Brüdern und schenkt uns die Fähigkeit, die Geschichte nach Gottes Vorhaben zu gestalten” (NMI 33).
Und zuletzt, auf dem Terrain des ‘Herzens-Gewissens’ entscheidet sich die Gesamtheit des Lebens des einzelnen Menschen. Hier spielt sich die Frage ab, ob der bestimmte Mensch für den Alltag „nach dem ... Antlitz” Gottes sucht (Ps 27 [26],8), bzw. gleichbedeutend – wie es die biblischen Bücher auszudrücken pflegen, ob jemand „vor Gottes Antlitz wandelt” (vgl. Gen 5,22; 6,9; 3 Kön 3,6.14; usw.). Diese letzte Bezeichnung drückt auf ‘dynamische Art und Weise’ die Wirklichkeit aus, die Inhalt der gleichbedeutenden, leider allzu ‘statisch’ sich präsentierenden Bezeichnung sein soll: eines ‘heiligen Lebens’ und Strebens für den Alltag nach ‘Heiligkeit’ (s.: Heiligkeit als Programm für heute: NMI 30).
RE-Lektüre: V.Teil, Kapit.1c:
Stadniki, 15.XI.2013.
Tarnów, 13.V.2022.