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VERMERK: Abkürzungen zur angeführten Literatur s. Literatur

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Viertes Kapitel

ZWISCHEN
GERECHTIGKEIT
UND BARMHERZIGKEIT
*       *       *
Gerechtigkeit
oder Barmherzigkeit ?

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Im Anschluss an den erwogenen Faden

Es wäre gut sich von neuem bewusst zu werden, wie der Sinn der Erwägungen ist, die im hiesigen, fünften Teil unserer Internet-Site angeboten werden. In diesem Teil leuchtet uns die Frage vor, die wir uns in unserem demütigen ‘Forschungsgeist’ aufzustellen suchen, und zwar: Wie ist es dazu gekommen, dass der Dreieinige, der die ganze Wirklichkeit der ‘sichtbaren und unsichtbaren Welt’ kraft seiner „liebenden Allmacht des Schöpfers” (DeV 33) zum Dasein berufen hat, sich angesichts des Menschen: Mann und Frau immer mehr als Gott-die-Barmherzigkeit zu offenbaren begonnen hat?

Von den sechs ersten Erwägungen dieses Teiles haben wir schon drei Themen durchgemacht. Hier die Zusammenfassung unserer bisheriger Betrachtungen.

butt  Der Dreieinige: der Vater und der Sohn, und der Heilige Geist, konnte in der Kommunion seiner Drei Gottes Personen, die sich einander hingeben und die ankommende Person-Gabe in sofort erwiderte Liebe wechseln – gleichsam im Rahmen einzig seiner Gottheit nicht mehr ‘Platz genug’ finden. Die Dynamik der wahren Liebe strebt mit Fülle ihres Lebens und ihrer Freude dahin, Gabe-‘für’  eine andere Person zu werden, die „um ihrer Selbst willen” und zu ihrem – ewigen Wohl geliebt wird. Einzig so sind wir imstande uns zu erklären, dass der Dreieinige sich danach ‘sehnte’, noch jemanden gleichsam von außerhalb seiner Gottheit zur Kommunion in Leben und Liebe einzuladen.

So hat Gott sein lebendiges Ebenbild: den Menschen – Mann und Frau, vom Nicht-Dasein zum Existieren gerufen. Gott will den Menschen, als Mann und Frau von Ewigkeit an „um ihrer Selbst willen” (vgl. GS 24). Alles andere was da ist, beruft der Dreieinige allein ‘instrumentell’ zum Dasein: dass dieser einzig „um seiner Selbst willen gewollte” : der Mensch, irgendwo wohnen, sich bewegen und entwickeln kann.

Die Liebe des Schöpfers konnte nicht in die ‘Leere’ ausgerichtet bleiben. Anderseits, um die Schöpfer-Liebe mit gegenseitiger Hingabe seiner Selbst – diesmal Gott gegenüber, beantworten zu können, muss man Person sein, d.h. ein Jemand, der mit Selbst-Bewusstsein, Selbst-Bestimmung, und Fähigkeit die Verantwortung zu unternehmen ausgestattet ist. Erst dann entstehen Voraussetzungen, die die Liebe erscheinen lassen.

Jede Liebe muss die Probe auf ihre Qualität und Treue durchstehen. Es zeigt sich, dass schon das erste Menschenpaar – diese beiden im Paradies, die Probe auf die Qualität ihrer gegenseitigen Liebe zur „liebenden Allmacht des Schöpfers” – nicht bestanden haben.
– Daselbst kommt im selben Augenblick die entsetzende Wirklichkeit der Sünde zum Vorschein: die schmachvoll beleidigende Behandlung der Liebe des Schöpfers, wogegen der Mensch zu gleicher Zeit widerstandslos Satan anvertraut, dem urewigen Verführer, der ihn zu verlügen sucht, um das lebendige Ebenbild Gottes von der Liebe des Schöpfers loszureißen und ihn daraufhin – folgerichtig – im Tod der ewigen Verdammnis endgültig zu versenken.

butt  Im zweiten Kapitel des hiesigen Teiles haben wir über Gottes ‘Reaktionen’ im Angesicht der Sünde des Menschen nachgedacht. Wir konnten aufgrund der mit Grauen füllenden Aussagen des Gottes-Geschriebenen-Wortes in Verwunderung geraten, wenn wir in der Heiligen Schrift wiederholt von ‘Glut des Gottes Zornes’ und anderen Bezeichnungen der leicht sich zu erklären lassenden Gottes ‘Verhaltensweisen’ angesichts der Arroganz seiner Geliebten hören, die Gott mit seinem Selbst beschenken wollte – nicht nur als Schöpfer, sondern darüber hinaus als Gott-Bräutigam seines lebendigen Ebenbildes.

Allerdings parallel zu diesen furchtbaren biblischen Aussagen Gottes angesichts der menschlichen Sünde bemerken wir bei Gott eine wunderliche ‘Fluktuation’ seiner eigenartigen ‘Gefühle’. Einmal scheint es, bei Gott überwiege sein furchterregender Groll – und gleichsam Gottes ‘Eifersucht’ angesichts seiner ‘ehebrüchigen, treulosen Braut’, die sich in seinen Augen dem urewigen Verführer hingibt: der „Alten Schlange, die Teufel und Satan heißt”. Ein andermal erscheint in den Tiefen der Gottheit die ‘Bewegung’ seines Erbarmens und gleichsam eines ‘Bedauerns-und-Schmerzes’ im Bewusstsein der endgültigen Niederlage, die diese Seine, doch weiter ... Geliebte, wenn auch so sehr Unwürdige und Treubrüchige, sich selbst bereitet.

butt  In Gott wird die Entscheidung auf das verwundernde, unwahrscheinliche Vorhaben des Dreieinigen gefällt: Gott selbst nimmt die Aufgabe auf Sich, Gott Sühne zu leisten – anstelle des Menschen, der aufgrund seines ‘Seins-als-nur-Geschöpfes’ total unfähig ist, Gott zu entsühnen, noch irgendeine Expiation für die verächtlich beleidigende Behandlung Gottes „liebender Allmacht” zu unternehmen, noch für die Gott zugefügte tiefgehende Schmach wegen des zurückgezogenen Anvertrauens auf Gott, das der Mensch in Sünde, Gott zum Trotz, in Gottes Augen auf Satan, den „Vater der Lüge und Mörder von Anfang an”, übergetragen hat.

Das genannte Vorhaben in die Tat umzusetzen – unternimmt, aus Liebe zum zutiefst getroffenen Vater, aber auch aus Liebe zu den nach Seinem Bild erschaffenen: Mann und Frau, die Zweite Gottes Person: der-Sohn-das-Wort.

Parallel dazu wird „gleichsam im Herzen der unfassbaren Trinität” (DeV 39) die Entscheidung gefällt, dass das Werk der Sühne, und daselbst der Erlösung des Menschen: Gottes Ebenbildes – nicht auf ‘leichte’ Art und Weise vollbracht werden wird, noch nur ‘sekundenartig’, mit einem einmaligen Akt-der-Liebe und Entsühnung des Dreieinigen, den die Zweite Person Gottes dank der z.B. nur eine ‘Sekunde’ lang, zusätzlich zur Gottes Natur kurz angenommenen Menschen-Natur wecken würde. Freilich, solcher „Akt-der-Liebe”, der vom Gott-Menschen herkäme, wäre über-reichlich ausreichende Sühne für die Sünden nicht nur aller Menschen in ihren, auf unserem Erdball begangenen Sünden, sondern auch irgendwo anders im Weltall.
– Das würde aber Gott ... ‘nicht befriedigen’! Die Liebe Gottes ist auf Maximalismus eingestellt. Gott gibt sich hin, d.h. Er schenkt sich selber immer „bis zum Letztlichen”, oder eher: „bis außerhalb des Letztlichen”. Er wird lebendige „Sühnung für unsere Sünden, und nicht nur für unsere, sondern auch für die der ganzen Welt” (1 Joh 2,2; JB).

Bei dieser Feststellung sind wir im vorigen Kapitel stehen geblieben. Wir konnten verstehen, dass Gott in Jesus Christus, dem Sohn Gottes-des-Vaters, aber auch Sohn Mariens, seiner Jungfräulichen Mutter – den höchsten möglichen Preis darlegt, entsprechend seines ‘Postens’ als des „einzigen Herrschers, des Königs der Könige und Herrn der Herren, der allein die Unsterblichkeit besitzt, der in unzugänglichem Licht wohnt, den kein Mensch gesehen hat noch je zu sehen vermag ...” (1 Tim 6,15f.).

Zu diesem Preis wird das dahingegebene eigene, Göttlich-Menschliche Leben und seine Göttlich-Menschliche Liebe. Es geschieht durch die Entscheidung auf Tod am Kreuz, auf dem der Sohn Gottes und zugleich Menschen-Sohn die Erlösung des Menschen vollbringt und dem Dreieinigen für die Sünde des Menschen Sühne leistet.

Darüber hinaus wird Er sich daselbst mit dem Menschen vermählen und nimmt ihn an – als diese Seine, die Braut: die Kirche – und jeden einzelnen Menschen, dass sie als die ‘seine Braut’ rein und heilig sind – als Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat und für die ewige Hochzeit im ‘Haus des Vaters’ bereit ist.

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A.   WEITERE STUFE UNSERER ERWÄGUNGEN

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1. Die Frage der Gerechtigkeit
und Barmherzigkeit

Es wäre schwer, in der Serie unserer Erwägungen darüber, wie es sich immer klarer offenbart hat, dass Gott Barmherzige Liebe ist – die nicht leicht vom theologischen Blickpunkt her zu lösende und verstehende Frage zu übergehen, die dabei fast sofort ihre Ausklänge auf das Leben eines jeden von uns ausübt: Wie ist es bei Gott selbst mit der gegenseitigen Wechselbeziehung zwischen seinen zwei grundsätzlichen Eigenschaften: seiner Gerechtigkeit – und Barmherzigkeit?

Freilich es muss sofort eindeutig gesagt werden: beide diese Eigenschaften des Dreieinigen sind zugleich Gottes Name und Person. Alle Eigenschaften Gottes stimmen zwischeneinander völlig überein und es kann von keiner irgendwelcher Entgegenstellung unter ihnen gesprochen werden.
– Dagegen von einigen ‘Unterschiedlichkeiten’ unter Gottes Eigenschaften dürfte von unserem, menschlichen Gesichtspunkt her gesprochen werden. Und zwar es besteht kein Zweifel, dass wir, die Sünder, in Gott gern eher diese seine Eigenschaften ‘sehen’ möchten, die für uns selbst ‘günstiger’ sind. Es ist wohl nicht allzu rühmlich, dass wir Gott des Öfteren ziemlich ‘utilitaristisch’ [= dienlich] betrachten. Sollte aber Gott deswegen ‘betrübt’ sein, dass das Geschöpf seiner Vorliebe: Mann und Frau, die Er als diese Seine, über das eigene Leben Geliebte sehen möchte, sich immer wieder nicht so sehr auf seine Gerechtigkeit beruft, sondern eher auf ... seine Liebe, die sich als ‘Barmherzige Liebe’ kundtut?

Solches Verhalten zum Dreieinigen wird uns übrigens unzweideutig vom Gottes-Geschriebenen-Wort selbst, unter dem Anhauch des Heiligen Geistes, eingeflüstert:

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Johannes Paul II. vertieft im Gebet in Bethlehem: am 20.III.2000, in der Basilika der Geburt Jesu Christi, bei seiner Pilgerreise nach Israel.

„Würdest Du, Herr, unsere Sünden beachten,
Herr, wer könnte bestehen?
Doch bei Dir ist Vergebung,
damit man in Ehrfurcht Dir dient
[= Gabe des Heiligen Geistes: geht zusammen mit Liebe zu Gott].
Ich hoffe auf den Herrn ...
Denn beim Herrn ist die Huld,
bei Ihm ist die Erlösung in Fülle
...” (Ps 129 [130], 3ff.7).

Unabhängig davon müsste als besondere Merkwürdigkeit die Tatsache festgestellt werden, mit was für einem ‘hartnäckigen Trotz’ und außerordentlichen Nachdruck die Hl. Schw. Faustyna Kowalska, durch die der Dreieinige sich der Kirche und der Welt als Gott der Barmherzigkeit zur Erinnerung gebracht hat, hervorhebt, dass eben die Barmherzigkeit die „größte Eigenschaft Gottes” darstellt.

Hier ein paar solche Aussagen Jesu des Barmherzigen selbst darüber:

„Die Menschheit wird keine Beruhigung finden, solange sie sich nicht mit Vertrauen an Meine Barmherzigkeit wendet.
– Oh wie sehr Mich das Misstrauen einer Seele verletzt. Eine solche Seele bekennt, dass Ich heilig und gerecht bin, sie glaubt aber nicht, dass Ich die Barmherzigkeit bin, sie glaubt Meiner Güte nicht.
Auch die Satane preisen Meine Gerechtigkeit, doch sie glauben an Meine Güte nicht.
– Mein Herz freut sich des Titels ‘Barmherzigkeit’.
– Sage, dass die Barmherzigkeit Gottes größte Eigenschaft ist.
Alle Werke Meiner Hände sind mit der Barmherzigkeit gekrönt” (TgF 300f.).

Oder auch nur die folgenden Worte Jesu im Anschluss an die ‘Koronka’ zu Gottes Barmherzigkeit:

„... Wer auch immer sie beten wird [= die Koronka, d.i. den Kleinen Rosenkranz zu Gottes Barmherzigkeit], erfährt in seiner Todesstunde eine große Barmherzigkeit. Die Priester werden sie den Sündern als letztes Rettungsbrett reichen.
– Sollte es der verstockteste Sünder sein – falls er nur einmal diese Koronka betet, erlangt er aus Meiner unendlichen Barmherzigkeit die Gnade.
– Ich wünsche, dass die ganze Welt Meine Barmherzigkeit erkennt. Unbegreifliche Gnaden will ich jenen Seelen erteilen, die Meiner Barmherzigkeit Vertrauen schenken” (TgF 687).

Es ist klar, sollte es auch nur aufgrund dieser zwei, mit so großem Nachdruck geäußerten Aussagen Gottes bei seiner Selbst-Offenbarung als Barmherzigkeit geschehen, ‘lohnt’ es sich, die angesagte Frage, dieses Mal als gesondertes Thema aufzugreifen, und zwar der gegenseitigen Beziehung zwischen den erwähnten zwei Eigenschaften Gottes.
– Freilich dieses Thema war schon Gegenstand unserer Erwägungen im vorigen Teil dieser Homepage, als die Frage der Sünde und des Tribunals der Barmherzigkeit Gottes, d.h. des Sakraments der Heiligen Beichte erörtert wurde (s. ob.: In neue Beschenkung mit Liebe umgestaltete Sünde – mit folgendem Zusammenhang). Dennoch Jetztzeit, im Rahmen der hiesigen Serie über die immer deutlicher werdende Offenbarung Gottes als Barmherzigkeit, gehört es sich diesem Thema noch einmal die Aufmerksamkeit zu widmen und es ein wenig genauer zu betrachten.

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2. Dank für die Enzyklika
‘Dives in Misericordia’

Mit großen Dank ziehen wir zu diesem Thema besonders zwei Dokumente von Johannes Paul II. heran: seine Enzyklika über die Barmherzigkeit Gottes „Dives in Misericordia” [Gott reich an Barmherzigkeit; 1980], und sein Apostolisches Schreiben über den Christlichen Sinn des Menschlichen Leidens „Salvifici Doloris” [Die heilbringende Kraft des Leidens ...; 1984].

Die erwähnte Enzyklika über Gottes Barmherzigkeit: „Dives in Misericordia” ist eine seiner Drei Enzykliken, die er den einzelnen Personen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit gewidmet hat. Diese Enzyklika verknüpft der Heilige Vater mit Gott-dem-Vater – in seiner ganz besonderen Eigenschaft: seiner Barmherzigkeit. Selbstverständlich wird in dieser Enzyklika ebenfalls von Gott-dem-Sohn gesprochen, der Gottes Barmherzigkeit geworden ist, inwiefern Gott uns als Barmherzigkeit entgegen geht.

Es ist merkenswert, dass sich der Heilige Vater von der Anknüpfung an die theologische Diskussion nicht gedrückt hat, ob die Barmherzigkeit als die „größte” unter den Eigenschaften Gottes genannt werden darf. Für den aufmerksamen Leser der Enzyklika steht es außer Zweifel, dass Johannes Paul II. zumindest gleichsam ‘im Hintergrund’ an das „Tagebuch” der Hl. Schw. Faustyna Kowalska denkt, obwohl ihr Name kein einziges Mal im Laufe der Enzyklika erscheint.
– Das ist aber vollends verständlich: ihre Seligsprechung hat erst in 13 Jahren nach der Veröffentlichung der genannten Enzyklika stattgefunden. Es ist dagegen gewiss, dass der künftige Papst Johannes Paul II. als früherer Bischof und Kardinal der Erzdiözese Kraków im Prinzip jeden Monat (jeden dritten Freitag im Monat) das Sanktuar Gottes Barmherzigkeit in Krakow-Lagiewniki besuchte und den Inhalt des „Tagebuches” dieser Polnischen Mystikerin perfekt gekannt hat. In den nächsten Jahren seines Pontifikats hat er sie zuerst Seliggesprochen (im Jahr 1993), und nachher Heiliggesprochen (im Jubiläumsjahr 2000).
– Ganz offen erwähnt Johannes Paul II. die Hl. Schw. Faustyna Kowalska in seinem letzten Buch, das er ein paar Wochen vor seinem Tod veröffentlicht hat: „Gedächtnis und Identität. Gespräche am Umbruch der Jahrtausende” (Verl. ... 2005, s. ebd. Nr. 2: ‘Die Ideologien des Übels’, S. ...13-21, bes. .13f.: deutliche Erwähnung der Enzyklika DiM und der Hl. Schw. Faustyna; und noch: ebd. Nr. 10: ‘Geheimnis der Barmherzigkeit’, S. 58-62, bes. 60f.).

In der erwähnten Enzyklika, dem ersten Dokument über dieses Thema in der zweitausendjährigen Geschichte der Kirche, schreibt Johannes Paul II. im Anschluss an die gegenseitigen Beziehungen Gottes Gerechtigkeit und Gottes Barmherzigkeit direkt und deutlich:

„Wenn einige Theologen behaupten, dass die Barmherzigkeit die größte unter den Eigenschaften und Vollkommenheiten Gottes selbst ist, so liefert die Bibel, die Tradition und das ganze Glaubensleben des Gottes Volkes wohl eine eigenartige Begleichung für diesen Satz.
– Es handelt sich hierbei nicht um die Vollkommenheit des unerforschlichen Wesens Gottes selbst im Geheimnis der Gottheit als solcher, sondern um die Vollkommenheit und die Eigenschaft, in der der Mensch in der ganzen tiefen Wahrheit seiner Existenz dem lebendigen Gott besonders nahe und besonders oft begegnet. Gemäß jenen Worten, die Christus zu Philippus gesagt hat (vgl. Joh 14,9f), findet das ‘Sehen’ des Vaters, das ‘Anschauen’ Gottes durch den Glauben – gerade in der Begegnung mit seiner Barmherzigkeit eine einzigartige Gestalt innerer Schlichtheit und Wahrheit. Sie ist ähnlich, wie diese Schlichtheit und Wahrheit, die wir im Gleichnis vom verlorenen Sohn finden” (DiM 13).

Diese Päpstlichen Worten stellen einen sachgemäßen Kommentar dar zur dogmatischen Überlieferung – sowohl dieser im Gottes-Gechriebenen-Wort, wie dieser im Überlieferten-Gottes-Wort. Sie stimmen auch vollends mit den Gaben des Heiligen Geistes überein, mit denen Gott alle Gläubigen beschenkt, und zwar mit dem ‘Glaubens-Sinn” und der ‘Analogie des Glaubens’ (s. genauer ob.: Analogie des Glaubens und Sinn des Glaubens).

Das Thema an sich: die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit im inneren Leben des Dreieinigen selbst – ist ein schwieriges theologisches Thema. Es müsste eigentlich gesagt werden: es ist von Theologen nicht allzu sehr durchdrungen worden. Jeder Christ, der sich um seine Sünde bewusst ist, nimmt immer wieder mit größtem Dank die Gabe Gottes in Anspruch: das Tribunal der Barmherzigkeit, d.h. das Sakrament der Versöhnung-Vergebung. Schlimmer ist es dagegen mit deren theoretisch-theologischem Aspekt, was dieses eine der größten Geheimnisses Gottes als Gottes angeht.
– In dieser Lage benutzen wir nur umso reichlicher und mit umso größerem Dank die Erwägungen, die gerade dieser Frage der Stellvertreter selbst Jesu Christi in der erwähnten Enzyklika widmet.

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B.   ERLÖSUNG DURCH DAS LEIDEN?

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1. Das Vorhaben des Dreieinigen
zu erfüllen

Die Sünde am Ausgangspunkt Gottes Vorhabens

Im hiesigen, fünften Teil unserer WEB-Site suchen wir darüber nachzudenken, wie es dazu gekommen ist, dass Gott der Schöpfer angesichts seines lebendigen Ebenbildes immer deutlicher als Barmherzigkeit zu erscheinen begonnen hat. Wir sind uns bewusst, dass die ganze Reihenfolge unserer Erwägungen dauernd eine bestimmte Richtung einnimmt.

Zum Ausgangspunkt dieser Wirklichkeit ist die Sünde geworden, die das Ebenbild Gottes: Gottes Braut – begangen hat. Als dem Vater ist es Gott ‘Schade’ um diese Seine, Geliebte, die sich so leicht vom urewigen Verführer: Satan – beirren lässt. Sie hat zu glauben aufgehört, dass Gott „Liebe” ist (1 Joh 4,8.16). Widerstandslos hat sie dagegen – im Prinzip selbst für die Dauer – dem „Vater der Lüge und Mörder von Anfang an” anvertraut (Joh 8,44).

Ungeachtet der unendlichen Beleidigung, die Ihm diese Braut zugefügt hat, ‘vergisst’ der Dreieinige gleichsam die schmachvolle Behandlung seiner Selbst als Gottes. Voller ‘Demut’, aber umso mehr voller Liebe denkt Er nach, was Er tun könnte, damit diese Seine, so sehr Geliebte, zurückkehre und „nicht verloren geht, sondern das ewige – Leben – hat” (vgl. Joh 3,16).

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Im Park: Anette i Lukas. Anette schreibt von sich selbst u.a.: Wie meine jüngere Schwester Agata [vom griech.: diese Gute], begann ich mich bei meinem Vater um sein väterliches Gefühl auch zu mir einzusetzen. Ich kämpfe dafür bis heute. Es ist schon ein dickes Band entstanden, das uns zusammenbindet. Ähnlich kämpfe ich dafür, dass der Vater - die Mutter liebt. Er ist schon ein ganz anderer Mensch geworden. Wir haben uns als ganze Familie (8 Kinder), zusammen mit den Eltern, verpflichtet, nachdem wir zum Kreuzzug der Nüchternheit Licht-Leben eingetreten sind, keinen Alkohol anzuwenden. Und es ist Gottes Frieden in der Familie entstanden. - Daneben ist mein Mann: er kommt aus einer zerfallenen Familie. Ich Liebe ihn ganz und gar, ich scheue Wörter nicht, noch Taten, um ihm das zu erweisen. Und er bleibt mir nicht schuldig.

Im Schoß der Allerheiligsten Dreifaltigkeit gestaltet sich das urewige Vorhaben aus. Gott selbst bietet dieser unwiderruflich „gewollten um ihrer Selbst willen” : dieser Braut seines Schmerzes, aber auch des empfundenen ‘Schamgefühls’ angesichts ... wenn auch nur Satans – eine erneuerte Liebe an, die sie auf ganz neuen Grundlagen zu erwidern imstande sein wird. Der Dreieinige will diese Chance seinem lebendigen Ebenbild, d.i. dem Menschen – in seinem eigenen Sohn-dem-Wort, gewähren.

Da es anders nicht ging, wird bei dem Dreieinigen die Entscheidung gefällt: die Zweite Person Gottes nimmt zu seiner Gottes Natur – eine noch zweite Natur an: die Menschen-Natur. Denn nur ein ‘Gleicher’ kann einen ‘Gleichen’ entsühnen. Für den Menschen, der sich selbst überlassen wäre, wäre das niemals möglich. Die Abbitte Gottes kann nur ... von Gott erfolgen. Darüber haben wir im vorigen Kapitel nachgedacht.

Indem aber nicht Gott, sondern doch der Mensch die Sünde begangen hat, muss die Entsühnung trotz allem vonseiten des Menschen, nicht aber Gottes ‘an seiner statt’ vollbracht werden. In dieser Lage: der Unmöglichkeit, die zweite Voraussetzung für das Erlösungswerk zu erfüllen, fällt der Dreieinige die Entscheidung auf das schon besprochene Vorhaben. Und zwar, die Zweite Person Gottes nimmt zu ihrer Gottes Natur – außerdem noch die Menschen-Natur an. Der Sohn Gottes verkoppelt die beiden Naturen selbstverständlich mit nur einer Person: seiner Gottes Person. Die Verantwortung und Zurechnungsfähigkeit hängt direkt nicht mit der Natur zusammen, sondern der Person dessen, der in Kraft seiner Natur handelt – in diesem Fall seiner zugleich Gottes- und Menschen-Natur. Aus diesem Grund muss es beim Gott-Menschen die Gottes Person geben – und nur diese Gottes, so dass es bei Jesus Christus keine Menschen-Person gibt!

Vorhaben der Erlösung ganz im Blut gebadet ?

Wir sind uns klarer bewusst geworden, dass Gott sich selber nicht ‘verzeihen’ würde, falls die Erlösung des Menschen auf irgendwelche ‘leichte’ Art und Weise vollbracht werden sollte. Gottes Liebe ist ungemein ernst. Für sie heißt es – wir müssten es so sagen – „zu lieben ... auf Leben und Tod” ! Wir müssen von vornherein annehmen, dass falls der Dreieinige überhaupt beabsichtigte, Gott für die Sünden der Menschen Sühne zu leisten und folglich daselbst die Erlösung des Menschen zu vollbringen, wird Er das mit Einsatz seiner Gottes Grenz-Möglichkeiten zustande bringen. Er engagiert dazu seine ganze Allmacht: sowohl als wahren Menschen, wie umso mehr als wahren Gottes.

So zeichnet sich vor uns immer deutlicher das Wörtliche der Charakteristik, die am Anfang des Berichts über das Letzte Abendmahl Jesu Christi von seinem geliebten Jünger, Johannes dem Evangelist, dargestellt wird:

„Vor dem Passah-Fest aber,
als Jesus wusste, dass Seine Stunde gekommen war,
aus dieser Welt zu dem Vater hinzugehen
– da Er die Seinen, die in der Welt waren, geliebt hat,
liebte Er sie bis ans Ende ...” (Joh 13,1; ESt).

Der hier angewandte Ausdruck: „... bis ans Ende” bringt vielfältige und ungemein weitreichende Ausklänge zutage! Alles konzentriert sich um die „Torheit des Kreuzes” (vgl. 1 Kor 1,18.21.23; Gal 5,11). Trotzdem das Kreuz keineswegs zur Grenze und zum Ziel wird, sondern die Umbruchs-Etappe und eine unersetzliche Stufe zur Auferstehung bildet und allem, was erst nachher erfolgte. Erst die Gesamtheit des Leidens-Todes-Auferstehung-Himmelfahrt-Sendung-des-Heiligen-Geistes wird zum wahren christlichen „Passah” [hebr. Pascha = Durchgang durch das Rote Meer und die Rettung vom Übel-Sünde-Verdammnis], um erst so – die Ursache unserer Erlösung zu bilden. So hat es der Hl. Paulus artikuliert:

„... wir glauben an Den, der unseren Herrn Jesus von den Toten auferweckt hat,
der um unserer Übertretungen willen hingeopfert
und zu [= als Ursache] unserer Rechtfertigung auferweckt wurde” (Röm 4,24f.).

Bewusstwerden um das vorleuchtende Ziel

Wenn wir hier immerwährend um die äußersten, ungemein schwierigen und blutigen Umstände kreisen, unter denen der Gott-Mensch Jesus Christus das Vorhaben des Vaters in die Tat umsetzen wird, behalten wir zugleich in Erinnerung, was Er selbst von der „Hingabe seiner Selbst” – „bis zum Letztlichen” gesagt hat:

„... Deshalb liebt Mich der Vater, weil Ich Mein Leben hingebe, um es [nachher] wieder zu nehmen.
Niemand entreißt es Mir, sondern Ich gebe es aus freiem Willen hin.
Ich habe die Macht, es hinzugeben, und Ich habe Macht, es wieder zu nehmen.
Diesen Auftrag habe Ich von Meinem Vater empfangen” (Joh 10,17f.).

Wir können hier die vom Menschen-Sohn selbst angenommene klare Haltung seiner Entschlossenheit betrachten. Er weiß es genau, was Er will und wohin Er strebt. Es kommen Stunden, da Er selbst von Furcht und Entsetzung angesichts des Unmaßes von Qualen ergriffen wird, denen Er in Kürze unterzogen werden wird. Er sagt dann nur die charakteristischen Worte aus:

„Jetzt ist Meine Seele erschüttert.
Was soll Ich sagen: ‘Vater, rette Mich aus dieser Stunde?’
Aber deshalb bin Ich in diese Stunde gekommen ...!” (Joh 12,27).

Wir bemerken, dass ’menschlich’ gesagt, aber umso mehr nach ‘Gottes Art’, Jesus sofort vollbewusst sein ‘Ja’-Wort angesichts des Ihm anvertrauten, schweren Auftrages bestätigt: Er soll Erlöser seiner menschlichen Brüder und Schwestern werden. Jesus ist ganz mit der Liebe des Vaters zu Ihm benommen. Sie ist für Ihn das Alles. Er ist sich vollbewusst, dass Ihn der Vater liebt. Aber Er erwidert auch beharrlich diese Liebe, mit der der Vater Ihn liebt – mit Ganzheitlichkeit seiner Selbst-Hingabe als Sohnes.

Anderseits liebt Jesus auch seine menschlichen Brüder und Schwestern. Sie wurden nach Seinem Bild erschaffen und werden in Ihm in das Haus des Vaters gerufen. Daher unternimmt der Menschen-Sohn alles, dass niemand von ihnen „verloren geht, sondern das Ewige – Leben hat” (Joh 3,16).

Das Bewusstwerden um das Ihm vorleuchtende, deutlich bestimmte, zwei Aspekte umfangende Ziel: den Vater – und das lebendige Gottes Ebenbild, wird für Ihn ‘menschlich gesehen’ zur dauernd erneuerten Energie-Quelle.

Hier ein paar solche, gleichsam ein Kehrreim wiederkehrende, ungemein kraftvoll hervorgehobene Feststellungen mit Bezug auf das Bewusstsein um seine Erlösungs-Mission:

„Es war vor dem Paschafest.
Jesus wusste, das Seine Stunde gekommen war ...” (Joh 13,1).

„Es fand ein Mahl statt, und der Teufel hatte Judas, dem Sohn des Simon Iskariot,
schon ins Herz gegeben, Ihn zu verraten und auszuliefern
.
Jesus, der wusste, dass Ihm der Vater alles in die Hand gegeben hatte
und dass Er von Gott gekommen war und zu Gott zurückkehrte ...” (Joh 13,2f.).

„Jesus, der alles wusste, was mit Ihm geschehen sollte,
ging hinaus und fragte sie: ‘Wen sucht ihr?’ ...” (Joh 18,4: Gefangennahme im Ölgarten).

„Danach, als Jesus wusste, dass nun alles vollbracht war,
sagte Er, damit sich die Schrift erfüllte: ‘Mich dürstet’ ...” (Joh 19,28: Jesus am Kreuz, kurz vor Seinem Tod).

Die beständig im Johannes-Evangelium wiederkehrenden Worte: „Er wusste ..., bewusst darum ...” – heißen tief nachzudenken. Jesus ist sich wirklich dessen bewusst, was Er gerade vollbringt. Dieses Ziel bejaht Er vollbewusst und strebt mit seinem ganzem Selbst nach seiner Umsetzung in die Tat.

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2. Erlösung durch ... das Blut?

Der einzige ‘Wegweiser’: Richtung Jerusalem!

Die Haltung der Entschlossenheit, Grundboden dafür, dass Jesus keinen Augenblick das Bewusstsein um das Ziel verliert, dem zufolge Er vom Himmel herabgestiegen ist, ist der Aufmerksamkeit der Apostel nicht entkommen. Das wird u.a. im Evangelium des hl. Markus deutlich zum Ausdruck gebracht, also eigentlich nach dem Evangelium, wie es von Petrus verkündigt wurde. Denn Markus selbst hat sein Evangelium auf Bitte der Christen in Rom hauptsächlich als schriftliche Fassung der Petrus-Verkündigung geschrieben:

„Als sie aber den Weg nach Jerusalem hinaufstiegen,
ging Jesus ihnen voran, und sie staunten;
die Nachfolgenden aber fürchteten sich ...” (Mk 10,32 – JB).

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Diese haben den kleinen Hans aufgeweckt, wogegen er noch ein wenig weiter schlafen möchte ...! Die Hl. Therese vom Kinde Jesus erwiderte auf den ihr gemachten Vorwurf, sie schläfe beim Gebet in der Kapelle (infolge ihrer verzehrenden Krankheit): Die Eltern Lieben ihr Kind auf gleiche Art und Weise: ob es nun schläft, oder wach ist! - Sollte uns Gott wohl anders behandeln haben?

Jesus erklärte den Aposteln, also diesen, die Er sich selbst erwählt hatte, dass Er leiden wird, er wird gekreuzigt, aber nachher wird er von den Toten auferstehen. Er fügte noch hinzu, es zieme sich nicht, dass ein Prophet woanders stirbt, als in Jerusalem.
– Die Apostel waren deswegen ganz entsetzt, zugleich aber haben sie Jesus nicht ‘bis zum Letzten’ verstanden (s. dazu schon früher:  Wer bist Du, der Du rufst ...?).

Das Bewusstsein um die Tatsache, dass Er eben in Jerusalem „sein Leben als Lösegeld für die Vielen hingibt” (Mk 10,45), wurde zur grundsätzlichen Ursache, warum es Jesus so sehr ‘brannte’, dass sein Leben, seine Worte, Taten und sein ganzes Herumwandern auf Erden – sich mit beharrlich dieser einen Ausrichtung kennzeichnete, und zwar es war der Zug nach Jerusalem:

„... denn es geht nicht an, dass ein Prophet
außerhalb Jerusalem umkomme” (Lk 13,33).

Mit anderen Worten, Jesus schreitet mit klarer Folgerichtigkeit all dem entgegen, wozu Er sich selbst entschieden hat. Es geht um die Erfüllung ‘bis zum Letztlichen’ des Vorhabens des Dreieinigen. Jesus hat es mit dem ‘Willen des Vaters’  verbunden.
– Das erwähnte ‘Vorhaben’, dessen Umsetzung in die Tat von Ihm die „Taufe [des Blutes]” fordern wird (s. Lk 12,50), was Ihn selbst in gewissen Weilen mit verständlichem Schauder erfüllt (vgl. Lk 22,44: blutiger Schweiß im Ölgarten; Joh 12,27: „Jetzt ist meine Seele erschüttert ...”), bedeutet zweifelsohne vonseiten der Trinität in keinem Fall Streben nach ‘Leiden um des Leidens willen, Schmerz um des Schmerzes willen, Folter um der Folter willen’.
– Es ist unmöglich, dass dem ‘Leiden’ an sich die Kraft der Entsühnung Gottes für den gefallenen Menschen inne wäre! Sollte es so sein, müsste Gott mit dem Namen eines ‘Grausamen und Unmenschlichen’ bezeichnet werden. Das aber wäre Blasphemie und würde dem Wesen selbst Gottes widersprechen, der doch ... Liebe ist..

Und doch, es scheint kein Zweifel bestehen, dass es einen geheimnisvollen Zusammenhang zwischen dem Vorhaben des Dreieinigen geben muss – und seiner Erfüllung unter Qual und schaudererregendem Leiden. Das Vorhaben der Erlösung des Menschen soll vom Gottes Sohn in seiner Fleisch-Werdung in menschlicher Natur unter Umständen der äußersten Erniedrigung und Niedertretung seiner Würde vollbracht werden: schon nicht nur seiner Gottes Würde, sondern auch dieser des Menschen. Es soll unter furchtbaren physischen Qualen stattfinden, und einem umso mehr tiefschneidenden moralischen ... und Gottes Schmerz, dessen Tiefe der menschliche Verstand durchzudringen nicht imstande ist. Bis zum unbegreiflichen Ruf, der vom Mund des Sohnes Gottes ertönt, als Er – ans Kreuz angenagelt, das ‘Gebet’ seines Sterbens verrichtete:

„Elí, Elí, lemá sabachtáni?
das heißt: Mein Gott, Mein Gott,
warum hast Du Mich verlassen?”
(Mt 27,46 = Ps 22 [21], 2).

Könnte man sich in dieser Situation nicht die Frage aufstellen: Ob es so sein musste? Ob es wirklich keine ‘leichtere’ Art und Weise gegeben hat, Gott für die Menschen-Sünde zu entsühnen und das Werk der Erlösung des Menschen zu vollbringen, also nicht um einen so äußerst großen Preis? Ob der Dreieinige letztlich ... die entsetzlichen Foltereien des Gottes Sohnes beabsichtigt hat? Sollte es etwa vielleicht Anspruch und Bedingung Gottes Gerechtigkeit sein, dass die Abwendung des Ebenbildes Gottes in seiner Sünde – von der „liebenden Allmacht des Schöpfers” eine „Begleichung” durch furchtbare Quälereien erwarten muss, mit denen Gott selbst anstelle des Menschen berührt werden muss?

Herzensreue: Liebe die zu leiden weiß

Wir müssen gestehen, dass wir auf viele Hinsichten dieses Fragenkomplexes keine befriedigende Antwort bekommen. Wir stehen schlechterdings im Angesicht des Geheimnisses Gottes, der zur urewigen Liebe zu seinem lebendigen Ebenbild: Mann und Frau, unbeugsam treu bleibt, auch wenn diese Gottes Liebe in der Sünde eben dieses Gottes Ebenbildes so grauenhaft verunehrt und beleidigt worden ist.

Es besteht aber auch kein Zweifel, dass das Unmaß der Leiden, denen sich der Sohn Gottes vollbewusst unterzogen hat, auf den Menschen an sich die Wirkung einer erschütternden Wirklichkeit ausüben muss. Wie viele Menschen neigen dazu, das Gewicht ihrer Sünden unter der Einwirkung des Verführers zu missachten, selbst was die ‘schweren’, d.h. die ‘Tod-Sünden’ angeht! Sie suchen Gott – und auch sich selber und noch anderen Leuten einzureden, die Sünde wäre „nichts besonders Großes! Dass man mit der Sünde ganz gut leben kann! Dass Gott nicht so ‘kleinlich’ handeln kann, um für etwas ‘nichts Besonderes’ sofort mit ewiger Verdammnis zu strafen ... !

Indessen jede Sünde, und umso mehr die Sünde, die uns von Gott und in Gottes Namen durch die Autorität des Lehramtes der Kirche als „Todsünde, schwere Sünde” bewusstgebracht wird, ist an sich im Prinzip selbst eine definitive Wirklichkeit. Die Expiation für die Sünde – sollte sie überhaupt in Bedacht gezogen werden, muss sich gleichsam mit Schmerz der ewigen Trennung von Gott kennzeichnen.

Das gilt auch – in gewisser weiter Analogie – für das Erleben des Aktes der Reumut (z.B. bei der Heiligen Beichte). Solcher Akt muss der Bitte an Gott vorangehen um ... Vergebung-Erlass-Tilgung der Sünde und ihrer unmittelbaren Folgen: der ewigen Schuld und ewigen Strafe zu erlangen. So ist die Logik des Aktes der Reumut im Fall eines jeden Sünders, der Gott um ... Verzeihung bittet.

Hier Worte von Johannes Paul II. aus seiner Enzyklika über den Heiligen Geist. Der Heilige Vater knüpft u.a. an die Hinsicht des Schmerzes-in-Reumut an:

„Es ist bekannt, dass das Anerkennen in sich selbst des Übels bisweilen viel kostet. Es ist bekannt, dass das Gewissen nicht nur gebietet und verbietet, sondern im Licht seiner Gebote und Verbote richtet. Es ist auch Quelle der Gewissensbisse: der Mensch leidet innerlich wegen des begangenen Übels.
– Ist dieses Leiden [= wegen der Gewissensbisse] nicht gleichsam fernes Echo jener Wehmut wegen die Erschaffung des Menschen, welche die Heilige Schrift in anthropomorpher Sprache Gott zuschreibt? Jenes ‘Bissens’ [= Leid des menschlichen Gewissens], das – indem es sich in Kraft der urewigen Liebe im ‘Herzen’ der Heiligen Trinität einprägt, seinen Ausdruck im Schmerz des Kreuzes findet, in Christi Gehorsam bis zum Tod?
– Wenn der Geist der Wahrheit das menschliche Gewissen teilhaben lässt an jenem Schmerz [= Gottes Bedauern, den Menschen erschaffen zu haben], dann wird das Leiden der Gewissen besonders tief, aber auch besonders erlösungsreich. Dann vollzieht sich auch, durch solchen Akt der vollkommenen Reue, die wahre Bekehrung des Herzens, die ‘Metánoia’ vom Evangelium ...” (DeV 45).

Gleich nachher betont Johannes Paul II., dass eben solcher Akt der Reumut die Kennzeichen der Liebe annimmt, sollte es auch unter Leid erfolgen:

„Die Mühe des menschlichen Herzens, die Mühe des Gewissens, unter der sich jene ‘Metánoia’ [griech. = ‘Umkehr’], die Bekehrung ereignet, ist zugleich Widerschein jenes Vorganges, durch den sich der Biss in erlösende Liebe umwandelt, die es zu leiden versteht.
– Der verborgene Ausspender dieser erlösenden Kraft ist der Heilige Geist: Er, der von der Kirche ‘Licht der Gewissen’ genannt wird, durchdringt und füllt zugleich ‘die Tiefe der menschlichen Herzen’.
Durch eine solche Bekehrung im Heiligen Geist öffnet sich der Mensch in Richtung der Verzeihung, in Richtung der Vergebung der Sünden ...” (DeV 45).

Verzierung

3. Der Vater liefert seinen Sohn ...
der Welt aus

„Gott hat so geliebt ...” (Joh 3,16)

Johannes Paul II. greift das ausgesonderte Thema: Sinn des Leidens in einem seiner besonders hervorragenden Dokumenten auf, das mit Tiefe der Erwägungen strahlt, und zwar im oben erwähnten Apostolischen SchreibenSalvifici Doloris”: Über den Christlichen Sinn des Menschlichen Leidens (1984). Aufgrund Aufzeichnungen des Gottes-Geschriebenen-Wortes selbst, aber auch der lebendigen Überlieferung der Kirche Christi bespricht er den Sinn des Leidens in seinen vielfältigen Ausmaßen: dieses physischen, geistigen, irdischen – und vor allem des ewigen Leidens. Ausdruck dieses letzten ist der Verlust des ewigen Lebens.

Als er dabei ist, an die Leiden Christi in seiner Passion, seiner Kreuzigung und seinem Tod am Kreuz anzuknüpfen, findet er sich genötigt unter den bisher unterschiedenen Leidens-‘Arten’ sein ganz neues „Ausmaß” auszusondern: das erlösungs-bringende Leiden.
– Dieses besondere, schwer zu bezeichnende Ausmaß des Leidens, ist keinesfalls mit Gottes Gerechtigkeit gleichbedeutend, obwohl es mit ihr zweifelsohne irgendwie zusammenhängt. Es ist schlechterdings ein neuer, anderer als alle anderen – Aspekt des ‘Leidens’. Er kommt dagegen direkt von Gottes Liebe hervor – diesmal von der Erlösung-bringenden Liebe. Gerade diese Hinsicht: des Leidens, das als besonderes Zeugnis der Liebe unternommen wird, die die Erlösung des Menschen anstrebt, bildet das wesentliche Kennzeichen des Erlösungs-bringenden Ausmaßes des Leidens.

Wichtige Fäden dieser nicht leicht zu verstehenden und auszudrückenden Frage entwickelt Johannes Paul II. in einer längeren Darlegung, die er um die Aussage des Erlösers selbst über die Liebe seines Vaters zur ‘Welt’ umflicht:

„Denn Gott [= der Vater] hat die Welt [= Welt der Menschen] so sehr geliebt,
dass Er seinen Eingeborenen Sohn – hingab,
dass jeder, der an Ihn glaubt [= Ihm anvertraut],
nicht zugrunde geht [= in ewiger Verdammnis],
sondern das ewige – Leben hat” (Joh 3,16).

In diesen Worten zeichnet Jesus das Bild ab sowohl seines Vaters, wie seiner Selbst als dessen, den sein Vater ‘hingab’, oder selbst schlechterdings ‘ausgeliefert’ hat.

Diese Worte hat Jesus bei seiner markanten Nachtbegegnung mit einem der hochangestellten Würdenträger der damaligen Pharisäerklasse gesagt, dem Nikodemus (Joh 3,1-21). Jesus hat damals eindeutig das Ziel Seines Kommens in die Welt präzisiert.
– Dieses Ziel ist zugleich der einzige ‘Beweggrund’ und das Motiv, warum Ihn sein Vater in die Hände dieser „Welt”, die Er „geliebt” hat, gleichsam „preisgibt”. Es handelt sich selbstverständlich um die Welt der Menschen.

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Große Patronin Europas, die Hl. Edith Stein: konvertiert vom Judaismus, Wissenschaftlerin Philosoph und Theologin, Kennerin des Hl.Thomas von Aquin. Nach der Konversion zum Katholizismus ist sie in den Karmilterinnen-Orden eingetreten, wo sie vom Gestappo gefangen und in den Konzentrationslager in Oświęcim-Auschwitz-Birkenau transportiert wurde und am selben Tag zusammen mit ihrer leiblichen Schwester vergast wurde. Heiliggesprochen vom Johannes Paul II.

Und zwar, der Vater hat vor, die Welt der Menschen von dem ihnen drohenden letztlichen Übel zu erretten. Jesus zeichnet vor dem Bewusstsein des Nikodemus gewissermaßen graphisch – zwei letztliche Alternativen ab, die sich gegenseitig ausschließen. Es handelt sich um die Möglichkeit im Sinn ‘entweder – oder’. Man könnte auch sagen, es sind zwei Gegenvorschläge im Sinn des definitiven Schicksals des Menschen: nach ‘Minus’ oder nach ‘Plus’.

(0,36 kB)  Das Finale ‘Minus’ drückt Jesus in Worten aus: „... dass jeder, der an Ihn glaubt,
!empt (0 kB)nicht zugrunde geht”
.

(0,38 kB)  Das Finale ‘Plus’ gilt für die zweite Alternative. Sie drückt sich in Worten aus: „...
!empt (0 kB)sondern das ewige – Leben hat”.

Jesus schildert also zwei sich entgegenstellende Perspektiven. Sie betreffen das ewige Geschick des einzelnen Menschen. Diese Ewigkeit beginnt mit dem Augenblick des Todes ‘aufwärts’, diesmal schon ‘für immer’.

Aus Jesu Worten geht hervor, dass das definitive Übel darin besteht: „... zugrunde zu gehen”. Erst das wäre Übel im eigentlichen Sinn dieses Wortes: das ewige – Leben zu verlieren. Das wäre zugleich das letztliche und absolute Leiden.
– Von eben solchem ‘Übel’ den Menschen zu erretten ist der Eingeborene Gottes Sohn gekommen. Er wurde vom Vater der Welt genau dafür ‘preisgegeben’, d.h. den Menschen zur Verfügung dahingestellt.

Die von Jesus verwendeten Worte drücken zugleich auch schon die Voraussage dessen aus, wie dieses Vorhaben des Vaters verwirklicht werden wird. Es wird nicht anders vollbracht werden, als durch das Leiden. Solche Bedeutung bringt das hier gebrauchte Zeitwort zutage. Sein Ausklang ist eindeutig: „... So sehr ... geliebt, dass Er Seinen ... Sohn ... hingab ...” ! Dies bedeutet ungefähr folgendes:

‘Nehmt Ihn so wie Er ist. Ich schenke Ihn euch zur Verfügung.
Ihr könnt mit Ihm tun, was euch einfällt.
Ihr könnt Ihn im schlimmsten Fall selbst ... zu Tode bringen.
– Ich liefere Ihn dazu, dass niemand, der Ihm anvertraut,
im Leben der Verdammnis verloren geht!’

Sind diese Worte aber eine ferne, unzweideutige Ankündigung der Leiden, die der Eingeborene Sohn Gottes erdulden wird, indem Er der Welt „hingegeben-ausgeliefert” wird, so heben sie nicht minder deutlich hervor, dass sich eben in dieser ‘Hingabe-des-Sohnes’  für die Rettung der Menschen von ewiger Verdammnis die Liebe des Vaters zur Welt der Menschen äußert.

Diese ist aber genau auch die Liebe vonseiten des Sohnes: „... so sehr geliebt ..., dass Er seinen Eingeborenen Sohn – hingab ...” !

Kein Wunder, dass Johannes Paul II. dazu sagt:

„Darin aber drückt sich die Liebe aus, die unendliche Liebe –
sowohl dieses Eingeborenen Gottes Sohnes,
wie auch des Vaters, der seinen Sohn zu diesem Zweck ‘hingibt’.
Es ist die Liebe zum Menschen, die Liebe zur ‘Welt’: die Erlösungs-Liebe(SD 14).

Gott der Treue – Gottes Wahrheit

So stehen wir Auge zu Auge vor dem Dreieinigen, der treu ist, d.h. unbeugsam beharrlich zu dem einmal seinem lebendigen Ebenbild angesichts des Weltalls Mann und Frau – gegebenen Wort:

„Ich Liebe dich, Du Meine, Geliebte,
die Ich urewig um deiner Selbst willen beabsichtige ...!”

So ist die biblische Bedeutung des hebräischen Dingwortes ‘hémet’. Es wurde leider voreilig übersetzt – schon im Altertum – als ‘Wahrheit’ (griech.: alétheia; lat.: veritas = Wahrheit). Beachtlich näher seiner tatsächlichen Bedeutung in hebräischer Sprache und umso mehr Mentalität – ist das Substantiv ‘Treue’, nicht aber das Dingwort ‘Wahrheit’. Zu solcher Übersetzung kehren die modernen Ausgaben der Heiligen Schrift um, wie auch die Aussagen des Lehramtes der Kirche zurück.

Das Substantiv: ‘Treue’ hebt zumindest noch eine unersetzliche Bedeutungskomponente hervor. Sie widerspiegelt zugleich die dynamische Hinsicht der mit ihm dargezeigten Wirklichkeit: das Ausmaß der Zeit. Man kann nicht ‘treu’ in blink-statischer Bedeutung sein. Erst dann kann von einer Person bekundet werden, sie ist dem einmal gegebenen Wort ‘treu’, wenn sie ein und dieselbe Haltung am Anfang der besprochenen Zeit behält, in ihrer Mitte, und wenn es auch in Zukunft genauso geschehen wird.

In solchem Sinn drückt sich die Heilige Schrift von Gott aus, dass Er ‘Wahrheit-Treue’ ist, indem sie dazu das gerade besprochene Dingwort hémet anwendet. Gott ist nämlich in seiner Liebe zum Menschen, den Er „um seiner Selbst willen” erschaffen hat (GS 24), unbeugsam treu. Deswegen bietet Er ihm von Anfang an einen Bund mit sich an. Es soll offenbar ein Hochzeits-Bund sein – in solchem Sinn, wie es allein Gott eigen ist.
(s. dazu u.a.: ks. Pawel Leks, Dein WORT ist WAHRHEIT, Katowice 1997, S. 27f.185-191.201-206 – poln. Aber s. auch von der hiesigen Internet-Seite besonders VII.Teil, 1.Kap; und noch vom VI.Teil, besond. die Kapitel 4-9).

Mit dem eben gebrauchten hebräischen Substantiv: hémet = Treue-Wahrheit, verbindet die Heilige Schrift des Öfteren noch ein zweites Substantiv: chésed. Dieses bedeutet: das Antlitz voller Liebe und Gnade.
– Diese beiden Dingwörter kommen sehr oft als zusammengebundene Wendung vor: (hebr.): „hémet wa-chésed = Treue-Wahrheit – und Liebe voller Gnade”. Die beiden Substantive ergänzen dann einander inhaltlich, indem sie dabei mit Bezug auf Gott seine unbeugsame Beständigkeit in Liebe voller Gnade hervorheben, die Gott mit Bezug auf den Menschen, seine Mystische Braut, außer Zweifel niemals zurückzieht.


Beispiel für das so verstandene Gottes Antlitz voller treuer Liebe sind Worte, mit denen der Hl. Lukas die Botschaft der Engel an die Hirten bei der Geburt Christi beschreibt.

„Herrlichkeit in den Höhen für Gott
und auf Erden Friede den Menschen
seiner Huld” [= seiner chésed = gnadenvollen Liebe,
die angesichts sich selber unerschütterlich treu bleibt] (Lk 2,14; JB)
.

In diesem Fall gebraucht der biblische Schriftsteller gerade nur eines von den besprochenen Ausdrücken: Gott als gnadenvolle Liebe (chésed).
– In anderen Fällen kommen beide besprochenen Ausdrücke gebunden zum Vorschein – als sich einander ergänzende Inhalte.
– Beispiel dafür ist die Charakteristik Jesu Christi, die am Anfang des Johannes-Evangeliums dargestellt wird, obwohl die besprochenen Ausdrücke bei ihm offenbar in griechischer Übersetzung erscheinen (also nicht hebräisch):

„Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben,
die Gnade und die Treue-Wahrheit
[hebr.: chésed wa-hémet = gnadenvolle Liebe und Treue-Beständigkeit-Wahrheit]
kamen durch Jesus Christus ...” (Joh 1,17).

Tatsächliche Treue Gottes

Wir haben nicht vor, hier eine ausführlichere Analyse der biblischen Aussagen mit Bezug auf die Treue im Bund durchzuführen, den Gott mit seinem Volk geschlossen hat. Daher zeigen wir hier nur zwei Aussagen darüber: eine Päpstliche – und eine biblische.

a) Johannes Paul II. drückt sich über Gottes unerschütterliche Treue zu seiner Liebe gegen das Volk Gottes u.a. in folgenden Worten aus. Sie knüpfen an die chronische Treulosigkeit des Volkes Gottes hinsichtlich des Ersten der Gebote Gottes an:

„... Dieselbe Sünde, die den ehelichen Bund verletzen kann,
wird zum Bild der Untreue des Volkes gegen seinen Gott:
der Götzendienst ist Prostitution,
die Untreue ist Ehebruch,
der Ungehorsam gegen das Gesetz ist Zurückweisung der Bräutlichen Liebe des Herrn.

Aber die Untreue Israels – zerstört die urewige Treue des Herrn nicht,
und somit wird die immer treue Liebe Gottes zum Vorbild
für die Bande der treuen Liebe, die die Eheleute binden sollen ...” (FC 12).



b) Die zweite Aussage schöpfen wir vom Alten Testament – dieses Mal vom Jeremia-Buch. Das gerade erst abgezeichnete Bild der unbeugsam treuen Liebe, die Kennzeichen Gottes des Bundes darstellt, ist vielerorts im Gottes-Geschriebenem-Wort sowohl des Alten, wie des Neuen Testamentes belegt. Hat nicht etwa gerade solche ‘Haltung’, als schon damals die ‘Frohe Botschaft’, das ganze Alte Testament verkündigt? Und sei es auch nur in diesem – einem unter vielen Bruchstücken des Propheten Jeremia:

Kehr zurück, Israel, du Abtrünnige – Spruch des Herrn!
Ich schaue dich nicht mehr zornig an,
denn Ich bin gütig – Spruch des Herrn,
Ich trage nicht ewig nach.
Doch erkenne Deine Schuld:
Dem Herrn, Deinem Gott, hast du die Treue gebrochen,
überallhin bist du zu den fremden Göttern gelaufen,
unter jeden üppigen Baum [zu fremden Göttern = Apostasie, Verrat des I. Gebotes]
auf Meine Stimme aber hast du nicht gehört – Spruch des Herrn.
Kehrt um, ihr abtrünnigen Söhne – Spruch des Herrn; denn Ich bin euer Gebieter.
Ich hole euch, ... und bringe euch nach Zion.
Ich gebe euch Hirten nach Meinem Herzen,
mit Einsicht und Klugheit werden sie euch weiden ...” (Jer 3,12-14).

Verzierung

C.   DER ERLÖSUNGS-SINN DES LEIDENS

Verzierung

1. Das Übel an seinen Wurzeln:
der Sünde und des Todes
zu berühren

Wir kehren auf die oben signalisierte Frage zurück: des Erlösungs-bringenden Leidens. Wir benützen weiter mit Dank die Erwägungen Johannes Paul II.

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Es gehört sich für alles Gaben Gottes viel und viel zu danken, zumal für die Speisen, dank denen wir leben können. Wer zu danken versteht, bekommt wieder Neues vom Beschenkenden ...

Gott-der-Vater, der „die Welt geliebt hat” (Joh 3,16), bewogen von seiner unbeugsam treuen Liebe zum Menschen, „gibt seinen Eingeborenen Sohn – dem ‘geliebten’ Menschen hin”. Es geschieht in der Situation, als dieser seine Liebe zu Gott zurückgezogen hat, dagegen aber hat der dem „Vater der Lüge” und Mörder von Anfang an sein „Anvertrauen” geschenkt (Joh 8,44). Der Vater„gibt” seinen Sohn hin – beinahe zur Verfügung der ‘Schindluderei’ vonseiten seines lebendigen Ebenbildes. Einzig dazu, dass dieser Mensch, falls er die vom Vater angebotene Bedingung annimmt, und zwar „Ihm ... glaubt-anvertraut” : nämlich diesem Eingeborenen Sohn Gottes, nicht „verloren geht”, sondern sich das ihm angebotene, unverdiente Angebot Gottes zunutze macht und so das „ewige – Leben” erlangt (Joh 3,16).

Das von Jesus erwähnte „Verlorengehen” bedeutet aufgrund der Worte Jesu selbst – das „ewige Leben verlieren”. Erst das wäre „des Leidens Leid” : Leiden in definitiver Bedeutung dieses Wortes. Johannes Paul II. sagt:

„Das Gegenteil der Erlösung ist also nicht das bloß zeitliche irdische Leiden,
welcher Art auch immer,
sondern das endgültige Leiden: der Verlust des ewigen Lebens,
die Zurückweisung von Gott, die Verdammnis” (SD 14).

Gott der Vater „liefert” seinen Eingeborenen Sohn dazu aus:

„... um den Menschen vor allem vor diesem endgültigen Übel
und vor dem endgültigen Leiden zu bewahren” (SD 14).


Es taucht sofort die Frage auf: wie wird das der Sohn vollbringen? Das Vorhaben des Dreieinigen, das im Willen des Vaters kondensiert ist, der aber ganz Erlösung des Menschen ist, d.h. der Geliebten Braut, die für seinen Gottes Sohn vorbereitet wird, ist hier klar. Es muss das alles ‘zurückgewendet’ werden, was es Böses in der Sünde des Menschen geworden ist.

Gott hat am Ur-Anfang ernst gewarnt:

„Aber vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen,
davon darfst du nicht essen;
denn an dem Tag, da du davon isst,
musst du sterben” (Gen 2,17; ESt).

Der Mensch hat auf die warnende Stimme Gottes nicht gehört, trotzdem dieses Gebot von Dem herkam, der „allein der Gute ist” (Mt 19,17): der auch dann Liebe selbst ist, wenn Er irgendwas schwierigeres empfiehlt – um die Qualität der erwiderten Liebe zu erproben.

Allerdings die Ur-Eltern ... sind doch darauf keineswegs auf der Stelle gestorben! Das Gottes-Geschriebene-Wort stellt aber eindeutig fest:

„... Denn der Lohn der Sünde ist der Tod,
die Gabe Gottes aber ist das ewige – Leben” (Röm 6,23).

„Doch durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt,
und ihn erfahren alle, die ihm angehören ...” (Weish 2,24).

Samt der Sünde ist in die Welt alles Leiden – und der Tod herrscherisch eingeschritten: als seine Krönung im negativsten Sinn. Hätte es die Sünde nicht gegeben, würde es in der Welt kein Leiden, noch keinen Tod geben.

In seinem ersten Gebot bittet Gott die Ur-Eltern dringend, dass sie „vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse nicht essen” (Gen 2,17). Zugleich warnt Er, dass Strafmaßnahme wegen Nicht-Gehorchens diesem Gebot, der mit ungemein starkem Nachdruck hingewiesene [so ist die Konstruktion der hier gebrauchten hebräischen Grammatikform] „Tod” sein wird (Gen 2,17).
– Voraussetzung, dass Gott die Ur-Eltern auf solche Weise ansprechen konnte, war selbstverständlich ihre Befähigung zur Selbst-Bestimmung, also ihre Ausstattung mit freiem Willen.

Das Gesamte dieser Situation bedeutet, dass sich Gott auf die Befähigung der Ur-Eltern beruft, dank derer sie die sich kreuzende Realität zu unterscheiden fähig sind:

(0,36 kB)  in der ‘horizontalen’ gleichsam zwischen Gut und Böse,

(0,37 kB)  in der ‘vertikalen’ aber zwischen Leben und Tod (vgl. ML 83f.).

Es ist klar: dieses Gottes ‘Reden’ konnte nicht die biologisch-physische Wirklichkeit allein betreffen. Gottes Sprechen erfolgt im tiefsten Heiligtum des Gewissens, wo Gott ununterbrochen darüber spricht, was es Gutes zu tun gilt, und was vermieden werden soll, weil es Böses ist. Es geht also um die Wirklichkeit vor allem ethischer Natur – samt ihrem unmittelbaren Ausklang für das ewige – Leben.

Mit anderen Worten es muss von vornherein jede flache Deutung der im biblischen Bericht vom Fall der Ur-Eltern erwähnten ‘Erkenntnis’ vom Übel ausgeschlossen werden – im Gegenteil zur ‘Erkenntnis vom Gut’, als ob es sich hier um ‘Gut oder Böses’ einer nur irdischen Wirklichkeit handelte, z.B. allerlei Schmerz und Leiden, Krankheiten und peinliche Erlebnisse, beziehungsweise um andere Leiden, die zwar mit dem ‘Tod’ enden, allerdings nur im ‘biologischen’ Sinn.

Sollte etwa aufgrund der Tatsache, dass diese beiden im Paradies, trotzdem sie gesündigt haben und nicht am Ort gestorben sind – folgen, dass Gott, um sie zum Gehorsam gegen sein Gebot zu ‘zwingen’, ihnen ‘mit dem Tod’ nur Angst einjagen möchte, der aber letztlich nicht eingetreten ist?

Wir verstehen wohl, dass solche Deutung des Gebotes Gottes und der Wirklichkeit der Sünde, die die Ur-Eltern zu dieser Stunde begangen haben, unmöglich angenommen werden kann. Der erste Mensch wusste nur allzu gut, was das heißt: Gottes Stimme im „inneren Heiligtum” des Gewissens, in dem sie „ertönt” (GS 16; DeV 43) – selbst dann, „wenn der Mensch in ihr nur das Prinzip der moralischen Ordnung anerkennt, an dem man menschlich nicht zweifeln kann, ohne direkten Bezug auf den Schöpfer ...” (DeV 43). Dieser Mensch hat dank des ihm verliehenen „Glaubens-Sinnes” gut verstanden, dass es hier um eine wesentlich ernstere Wirklichkeit geht, als um den Tod im nur biologischen Sinn! Dass hier der Satz um die ewige Erlösung auf dem Spiel ist, oder auch – Gott bewahre – um die „Zurückstoßung durch Gott, die Verdammnis” (SD 14).

Soll also das Vorhaben des Vaters, voller Liebe zum Geschöpf seiner Vorliebe, auch wenn dieses der unentgeltlichen Liebe so unwürdig ist, in der Tat verwirklicht werden, wird es eigentlich keine andere Weise geben, den entstandenen Sachverhalt ‘zurückzuwenden’, außer diese eine: der Gottes Sohn wird mit sich ganzem die Wurzeln selbst des ‘Übels’ erfassen müssen, das sich samt der aufgetretenen Sünde entfesselt hat.

Das Übel der ersten Sünde begann sofort immer weitere und tiefere Bereiche der ganzen erschaffenen Wirklichkeit zu umschlingen, darin ebenfalls diese im kosmischen Sinn dieses Wortes. Darüber berichten die biblischen Mitteilungen über die unvorstellbare Geschichte der Sünde schon hinsichtlich des Zeitraums der prophetischen Interpretation der Ereignisse vom Ur-Alter der Menschheit bis zur Sintflut, und nachher bis zu Abraham (Gen 1-11). Zum anschaulichen dessen Gegen-Beispiel wurde die Sünde der ersten Mordtat, als Kain seinen Bruder Abel getötet hat (Gen 4,8).
– Das grundsätzliche Merkmal jeder Sünde begann sich wörtlich zu bestätigen: dass die Sünde sofort ‘Metastasen’ auf immer weitere Bereiche ethischer Verhaltensweisen bildet, die, wie es schien, mit der ‘vorangegangenen’ Sünden nichts Gemeinsames tun haben.

Die erwähnten ‘Wurzeln des Übels’ kondensieren sich in seinen zwei ‘Haupt-Verzweigungen’:

(0,2 kB) in der Sünde selbst;
und:
(0,2 kB) seiner Folge: dem Tod
.

Soll das Werk der Entsühnung des Dreieinigen und daselbst der Erlösung des Menschen erfolgreich vollbracht werden, wird der Sohn Gottes das eine, wie das andere Unheilszeichen des Übels ‘überwinden müssen’.
– Dieses Werk wird zweifelsohne das Engagement der ganzen Gottes Allmacht voraussetzen müssen,
– aber umso mehr Gottes ganze Liebe.
Erst so erscheint die Chance, dass die zwei Folgenaspekte der Abwendung des Menschen von Gott, und seines Anvertrauens an Satan überwunden werden können.

Johannes Paul II. spricht:

„In seiner Erlösungs-Sendung soll Er [= der Sohn Gottes] also
das Übel an seinen transzendentalen Wurzeln selbst berühren,
von denen her es in der Geschichte des Menschen hervorwächst.
– Jene transzendentalen Wurzeln des Übels befinden sich in der Sünde und im Tod,
diese liegen nämlich dem Verlust des ewigen Lebens zugrunde.

Die Sendung des Eingeborenen Sohnes besteht auf der Überwindung der Sünde und des Todes.
Er überwindet die Sünde mit seinem Gehorsam bis zum Tod.
Den Tod aber überwindet Er mit der Auferstehung ...” (SD 14).

Verzierung

RE-Lektüre: V.Teil, Kapit.4a:
Stadniki, 15.XI.2013.
Tarnów, 15.V.2022.

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Viertes Kap. ZWISCHEN GERECHTIGKEIT UND BARMHERZIGKEIT.
Gerechtigkeit oder Barmherzigkeit?


Im Anschluss an den erwogenen Faden

A. WEITERE STUFE UNSERER ERWÄGUNGEN
1. Die Frage der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit bei Gott
2. Dank für die Enzyklika ‘Dives in Misericordia’

B. ERLÖSUNG DURCH DAS LEIDEN ?
1. Das Vorhaben des Dreieinigen zu erfüllen
Die Sünde am Ausgangspunkt Gottes Vorhabens
Vorhaben der Erlösung ganz im Blut gebadet ?
Bewusstwerden um das vorleuchtende Ziel
2. Erlösung durch ... das Blut?
Der einzige ‘Wegweiser’: Richtung Jerusalem!
Herzensreue: Liebe die zu leiden weiß
3. Der Vater liefert seinen Sohn ... der Welt aus
„Gott hat so geliebt ...” (Joh 3,16)
Gott der Treue – Gottes Wahrheit
Tatsächliche Gottes Treue

C. DER ERLÖSUNGS-SINN DES LEIDENS
1. Das Übel an seinen Wurzeln: der Sünde und des Todes – zu berühren


Bilder-Fotos

Abb.1. Johannes Paul II. vertieft im Gebet in Bethlehem
Abb.2. Anette i Lukas im Park
Abb.3. Der kleine Hans möchte noch schlafen ... ...!
Abb.4. Patronin Europas, die Hl.Edith Stein, Wissenschaftlerin, Karmeliterin:
Benedikta vom Hl.Kreuz

Abb.5. Bitt- und Dankgebet der Familie vor und nach dem Essen