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VERMERK: Abkürzungen zur angeführten Literatur s. Literatur


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F.   NOCH EINMAL ERWÄGUNGEN
PAPST WOJTYŁA’S
ZUM THEMA ‘LIEBE’

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Zur Erklärung

In den vorigen Teilen unserer Homepage haben wir des Öfteren und reichlich die lehramtlichen Dokumente Johannes Paul II. benutzt. Er kehrt in ihnen sehr oft auf die Problematik der Ehe, Familie, Theologie des Leibes und gleichartige Fragen zurück.
– Noch bevor er zur Würde des Nachfolgers Petri auf dem Apostolischen Stuhl erhoben wurde, hat er als Akademischer Professor u.a. ein weiter völlig zeitmäßiges „Ethisches Studium” verfasst – unter dem Titel: „Liebe und Verantwortung”
(Offizielle deutsche Übersetzung, sieh: Karol Wojtyła (Johannes Paul II.), Liebe und Verantwortung – Eine ethische Studie. Auf der Grundlage des polnischen Textes neu übersetzt und herausgegeben von Josef Spindelböck, Verlag St. Josef, Kleinhain 2010 (2., neu durchgesehene Auflage).


ANMERKUNG. Wie üblich bei dieser Homepage: meistens stellt der hier schreibende und zugleich übersetzende Autor seine eigene Übersetzung dar. Die angeführten Zitationen verweisen auf die gerade erst erwähnte deutsche Ausgabe – vom 2010 Jahr im Verlag St.Josef, Kleinhain. Allerdings der hier schreibende Autor verfasste diesen Abschnitt seiner Homepage aufgrund einer älteren Ausgabe dieses Studiums von Karol Wojtyła – vom Jahr 1962: es war eigentlich die erste Ausgabe überhaupt dieses Studiums, erschienen in London, Verlagshaus ‘Veritas’, ohne spätere ‘Zutaten’.
Daher unterscheidet sich die heutige deutsche offizielle Übersetzung ziemlich stark von der hier dargestellten. Alle, sehr zahlreichen Anführungen wurden vom hier Schreibenden noch einmal von ihm selbst ins Deutsche übersetzt. Daher sind sie auch wesentlich näher dem ursprünglichen polnischen Text von Erzbischof, Prof. Karol Wojtyła, dessen Hörer auf der Katholischen Universität zu Lublin auch der hier Schreibende sein konnte, samt der Unterschrift von Erzbisch. Wojtyła in seinem Studenten-Index).


Zwar ist das Lesen dieses ‘Studiums’ nicht allzu leichte Aufgabe: es setzt viel Gesteiskonzentration voraus, dass dieses Buch gehörig verstanden werden kann. Dennoch es ist eine einzigartige Auseinandersetzung in Weltskala dieser Art. Es schafft den unentbehrlichen Ausgangspunkt bei der Unternehmung jeder tieferen Erörterung über die ‘Liebe’ in personalistischer Auffassung. Gerade solche Stellungnahme zur Frage nach ‘Liebe’ ist zugleich Inhalt des Gebotes Gottes hinsichtlich der Liebe zu Gott und dem Nächsten.

Dieses Studium stellt dabei in seinen tiefdringenden Analysen den Unterschied zwischen scheinbarer und trügerischer ‘Liebe’, die zu ‘utilitaristischem’ Nutznießen des Geschlechtskörpers führt – und der ‘Liebe’, die ihres Namens würdig ist, das heißt die gemäß der personalistischen Norm gestaltet wird. Ihr Zweck strebt danach, die Vereinigung zweier Personen (der Ehegatten) auf personalistischem Niveau zu erreichen, obwohl es über den Leib von Mann und Frau in seiner ganzen Männlichkeit und Fraulichkeit erfolgt. Der Leib spielt in dieser Situation einigermaßen die Rolle eines ‘Botschafters’ anstelle der Personen des einen und anderen der Ehegatten. Dennoch ihre Personen vereinigen sich miteinander über ihren geschlechtlichen Körper.

Obwohl wir das erwähnte ‘Studium’ des ehemaligen Erzbischofs von Kraków: Karol Wojtyła, schon so öfter benutzt haben, wäre es schwierig an seine tiefgreifenden Erörterungen und schöpferischen Ansichten im strikten Anschluss an die uns gerade befassende Stufe der Jugendlichkeit nicht noch einmal, vielleicht wesentlich tiefer, anzuknüpfen.
– Gerade in dieser Zeitphase: der Jugendlichkeit, suchen junge Leute nach sich und finden sich einander, indem sie die Erfüllung in einer beiderseitigen, dauerhaften, treuen Lieben erwarten. Es soll einmal in der eingegangenen Ehe erfolgen: im Sakrament der Ehe. Möge ihnen der spätere Heilige Vater – der Hl. Johannes Paul II., früher Erzbischof Karol Wojtyła, dabei mit machtvoller, warmer und liebender Hand zur Seite stehen.

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1. Trieb und die Person:
die berufene Person

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Befähigung-Berufung zur Liebe – dem größten Gebot

Als Voraussetzung nehmen wir den unüberschreitbaren Unterschied zwischen der Welt der Tiere – und der Menschen an. Allein der Mensch ist nicht nur mit dem Leib ausgestattet, der sich ja mit seinen weit gehenden Analogien zur Welt besonders einiger Tiere kennzeichnet, zumal es manche ähnliche biologisch-physiologische Funktionen betrifft. Der Mensch zeichnet sich aber außerdem mit seinem geistigen Leben aus. Dieses zeugt von seiner unsterblichen Seele und ist Grundboden, auf dem sich das innere Leben seines Geistes entwickelt.

Mit ihm, das heißt mit seinem geistigen Leben, unterscheidet sich der Mensch wesentlich nicht nur von der Welt der Sachen-Dinge, sondern auch der Tiere, darunter auch dieser ‘menschen-ähnlichen’.
– Das Geistige macht es auch aus, dass der Mensch – Person ist. Eine Person aber, als gegenseitig sich durchdringender Leib und Geist, kann auf keine Art und Weise auf den Rang allein einer ‘Sache, eines Dinges’ herabgeführt werden. Dank seinem Geist überragt der Mensch sowohl die Welt der Materie und Tiere, wie auch überhaupt das ganze Weltall.

Auf der jetzigen Stufe unserer Erwägungen möchten wir einmal mehr bei gegenseitigen Beziehungen zwischen zwei Personen anhalten. Es sind meistens junge Leute, die nach sich suchen und sich gegenseitig finden – mit leisem Vorhaben, sich einmal mit dem Bund der Ehe: dem Sakrament der Ehe – zu verbinden.
– Ethisch gesehen, soll jeder Mensch, aber umso mehr gerade solche junge Leute, ein klar formuliertes Bewusstsein in sich bewahren, dass jeder von ihnen Person ist, also nicht Ding-Sache allein. Folgerichtig soll er sich es sowohl zu sich selbst, wie zu diesem anderen – dem Bräutigam oder Braut, beziehungsweise anderseits zu diesem anderen in Ehe, in voller Bedeutung dieses Wortes als zur Person verhalten.

Unmittelbar mit der Tatsache, dass der Mensch Person ist, hängt es zusammen, dass er ethisch verpflichtend ist. Dieses Verpflichtet-Sein ist in der Wahrheit des Seins selbst eingewurzelt. Eine dessen Folgen beruht darauf, dass der Mensch eben als Person: sei es die eigene Person, oder auch diese des anderen – nicht als Mittel zum Erlangen irgendeines Zieles behandelt werden darf. Das betrifft vor allem die Herabführung der menschlichen Person auf den Rang ihrer Nutznießung als Mittels, um dank ihrem Leib eine sexuelle Annehmlichkeit zu erlangen (sieh: LuV 54f.).

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Rettungsaktion nach Erdbeben: die Lebenden, aber auch Verstorbenen aus den Haufen der zusammengestürzten Gebäude nach dem Erdbeben herauszuholen. Gottes Barmherzigkeit! Erbarme dich dieser, die in solchen Umständen ... in das ewige Leben übergehen müssen!

Erst die Liebe, die mit der Würde des Menschen als Person eingenommen ist und die Vereinigung auf dem Niveau ihrer beiden Personen anstrebt, wird auch fähig, die angesichts der Männlichkeit und Fraulichkeit aufkommenden sinnlichen Regungen – in das Erleben des geschlechtlichen Leibes als eigenartigen ‘Botschafters’ der konkreten Person schöpferisch einzuschließen, indem sie sich durch diesen Leib offenbart und zum Ausdruck kommt.

Wir benutzen mit Dank das ‘Ethische Studium’ von Erzbischof Karol Wojtyła, unter dem Titel „Liebe und Verantwortung”. Fragen, die mit der Geschlechtlichkeit der menschlichen Person verbunden sind, werden hier besonders zuständig erörtert.

Die Tatsache, dass die mit geschlechtlicher Unterschiedlichkeit der anderen Person verbundene Annehmlichkeit erfahren und subjektiv erlebt wird, ist Zeugnis der spontanen Reaktion der sich gegenüber stehen bleibenden Männlichkeit und Fraulichkeit auf Ebene des Leibes und des geschlechtlichen Triebes, der mit der leiblich-geistigen Struktur des Menschen zusammenhängt. Dennoch, indem der Mensch nicht nur Fleisch ist, sondern umso mehr dieses Fleisch durch und durch durchdringender Geist, der über seine Größe und Würde entscheidet, können und sollen die spontan sich weckenden Regungen des Fleisches (ethische Verpflichtung, die direkt von personalistischer Norm herkommt) bewusst und freiwillig auf die Ebene der Würde der Person emporgezogen werden. Diese aber erlangt ihre Bekrönung erst in personaler Liebe – mit ihrem besonderen Ausdruck in Gestalt der bräutlichen Liebe.

Hier die Bemerkungen des Erzbischofs Wojtyła als Ausgangspunkt über die menschliche Person und die gegenseitigen Beziehungen zwischen zwei Personen:

„Die Person (des jeweils anderen Geschlechts) kann für die andere Person nicht zum nur Mittel zu einem Ziel werden, wie sie die Annehmlichkeit, beziehungsweise geradeaus die sexuelle Lust darstellt. Die Überzeugung, dass der Mensch Person ist, führt zur Annahme der Forderung, dass die Nutznießung – der Liebe untergeordnet sein soll.
– ... Das Erfahren der Annehmlichkeit ... kann ... auf die Ebene der Personen innerlich nur durch die Liebe heraufgezogen werden. Nur das ‘Lieben’ schließt die ‘Nutznießung’ ... aus.
– ... Soll die Ethik die ihr eigentliche Aufgabe auf dem Gebiet der Sexualmoral erfüllen, muss sie ... das präzise unterscheiden, was jenes ‘Lieben’ der Person darstellt – und was dies nicht ist, sondern nur ihre ‘Nutznießung’ bedeutet, auch wenn sie sich mit dem Anschein der Liebe verhüllt und sich mit ihrem Namen zu legitimieren sucht” (LuV 54f.).

Die personalistische Norm, nach der der Mensch niemals als ‘Ding-zum-Nutznießen’ behandelt werden darf, hat im Gottes-Geschriebenen-Wort des Alten Testamentes, und umso mehr im Neuen Testament, als der Sohn Gottes in die Welt herabgestiegen ist, der den Leib von Maria, seiner Jungfräulichen Mutter angenommen hat – ihre eigenartige, entschiedene Bestätigung und Erhöhung zur Würde des „zweiten” Gebotes Gottes erwartet, das „ähnlich ist”  wie das „größte und erste” :

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen,
mit ganzer Seele und mit all deinem Gedanken ...
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst” (Mt 22,36-39).

Jesus wiederholt dieses Gebot noch einmal am Wendepunkt seiner Erlösungssendung, als die „seine Stunde angekommen” war (Joh 13,1; sieh ob.:  Zustimmung auf entsetzende Umstände der erwarteten Erfüllung – samt der weiteren Folge):

„Ein neues Gebot gebe Ich euch, dass ihr einander liebt,
damit, wie Ich euch geliebt habe, auch ihr einander liebt.
Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid,
wenn ihr Liebe untereinander habt” (Joh 13,34n).

„Größere Liebe hat niemand als die,
dass er sein Leben hingibt für seine Freunde ...” (Joh 15,13).

Der Menschen-Sohn hebt hier mit Nachdruck den Prüfstein hervor, der es erlaubt, die ‘Liebe’ in ihrer Gottes – und des Menschen Ausgabe zu unterscheiden – von aller anderen ‘Liebe’, die ... ‘Liebe’ nicht ist.
– Dieses Maß stellt die Hingabe seiner Selbst dar, einschließlich mit der Hingabe des eigenen, also nicht dieses des anderen – Lebens, falls sich solche Notwendigkeit ergeben sollte. Diese Hingabe soll das Gut des Lebens dieses Jemanden, beschenkten anstreben. Es muss sich im Band der Güter der Erlösung entwickeln: „... damit die Schafe das Leben haben, und es in Fülle haben(Joh 10,10).

Die so begriffene ‘Liebe’ widersetzt sich auf diametrale Art aller nutznießerischer Beziehung zum anderen Menschen. So pflegt es besonders leicht im Fall sein, wenn der Leib jemandes anderen gebraucht wird, um dank ihm die sexuelle Annehmlichkeit zu erfahren.

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Das ‘Eins’ in Ganzheitlichkeit der Hingabe, unternommen aufgrund der freien Wahl

Wenn der junge Mann und das Mädchen nach sich gegenseitig mit der Absicht suchen, sich mit dem Band der Ehe zu verbinden, handeln sie nach der in die menschliche Natur eingeprägten Ausrichtung auf das gegenseitige Geschlecht. Die beiden schließen sich für sich gegenseitig auf – als Folge eines lebendig erfahrenen Bedarfs nach gegenseitiger Ergänzung um Eigenschaften, die bei dem gegenteiligen Geschlecht kennzeichnend sind (s.: LuV 75).
– Dieses Streben hängt zweifelsohne mit der Anziehungskraft zusammen, die das ‘andere Geschlecht’ ausübt. Dennoch selbst dieses Streben (= der Trieb) bleibt nicht beim ‘Geschlecht’ stehen, sondern verfolgt ein höheres Ziel an: um ein ‘Eins’ zu werden mit der in diesem geschlechtlichen Leib verborgenen Person. Das aber ermöglicht das Aufkeimen der ‘Liebe’.

Die Liebe ist offenbar jedesmalig von der dazukommenden Wahl bedingt. Diese aber ist Werk des Willens in seiner Freiheit. Erzbischof Wojtyła hebt hervor:

„Liebe ist jedoch nicht nur eine naturähnliche oder auch psycho-physiologische Kristallisierung des sexuellen Triebes, sondern ist etwas davon grundlegend Verschiedenes. Denn obwohl die Liebe daraus erwächst und sich auf jener Basis kristallisiert,..., erfährt sie doch ihre Gestalt dank Akten des Willens auf der Ebene der Person.

– Der Sexualtrieb bringt im Menschen nicht fertige, zu Ende gebrachte Handlungen hervor: er liefert einigermaßen nur den Stoff für diese Handlungen durch das alles, was sich unter dem Einfluss des Triebes im Inneren des Menschen ‘ereignet’.
– All das nimmt aber dem Menschen die Fähigkeit der Selbstbestimmung nicht weg, so dass der Trieb in natürlicher Abhängigkeit von der Person bleibt” (LuV 77).

Hier geht Erzbischof Wojtyla direkt zur entscheidenden Rolle des freien Willens über – im Gegensatz zu instinktiven Handlungen, die in der Welt der Tiere vorhanden sind:

„Der Sexualtrieb befindet sich beim Menschen in einer völlig anderen Lage als bei Tieren, wo er Quelle der instinktiven Handlungen ist, die der Natur unterliegen.
– Beim Menschen ist er von Natur aus dem Willen untergeordnet und daselbst der eigenartigen Dynamik jener Freiheit unterworfen, über welche der Wille verfügt. Der Geschlechtstrieb wächst über den Determinismus der der Natur eigenen Ordnung – durch den Akt der Liebe hinaus.
– Eben aus diesem Grund müssen Anzeichen des sexuellen Triebes beim Menschen auf der Ebene der Liebe bewertet werden, und seine Aktualisierungen gehen in den Zyklus der Verantwortlichkeit ein: es geht hier geradeaus um Verantwortlichkeit für die Liebe” (LuV 78).

Um die Verbindung mit der Person des anderen Geschlechts als Tatsache nicht nur im Rahmen einer losen Kameradschaft einzugehen, noch einmal einer nur Freundschaft, sondern als Wirklichkeit, die den ehelichen Bund anstreben möchte, bedarf es der Wahl jemandes als seiner Person. Die eheliche Liebe, die der Person würdig ist, fordert die ganzheitliche Gabe seiner Selbst für die – ebenfalls ganze Person jemandes des anderen Geschlechts. Das grundsätzliche Ziel der geschlechtlichen Vereinigung in Ehe strebt zwar danach, dass diese beiden ein ‘Ein-Fleisch’ in beiderseitigen Liebe ihrer Personen werden, die also ihren Leib und ihre Seele umfinge. Dennoch diese Vereinigung schließt sich jedesmalig in Kraft ihrer Dynamik – als Gottes schöpferisches Werk, für die elterliche Potentialität hin auf.

Im Anschluss an die Dynamik des „Zwei-zu-Einem-Fleisch-Werdens” dürften hier nochmals die Aufsehen erregenden Worte wiederholt werden, die Wojtyła schon als Papst formuliert hat. Diese Worte wurden von uns schon mehrmals angeführt:

„... Der ehelichen Liebe ist irgendeine Ganzheitlichkeit inne, in die alle Elemente der Person einbezogen werden – Impulse des Leibes und Instinktes, die Kraft der Gefühle und der Anhänglichkeit, das Streben des Geistes und des Willens. Die Liebe strebt eine zutiefst personale Einheit an, die nicht nur in einen Leib zusammenfügt, sondern auch dahin führt, dass es nur ein Herz und eine Seele wird.
– Sie fordert die Unauflöslichkeit und Treue in ganzheitlicher gegenseitiger Beschenkung – und öffnet sich zur Fruchtbarkeit hin [HV 9] ...” (FC 13; ebd. 19).

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In Mit-Erschaffung einbezogene Vereinigung

Zwei Leute, die zueinander anhangen, sind sich gut bewusst, dass die geschlechtliche Vereinigung, diese besondere Gabe Gottes für die Ehe: das Sakrament der Ehe, offensichtlich die ganzheitliche Vereinigung ihrer Personen als Ehemann und Ehefrau anstrebt. Allerdings dank ihrer Struktur und Dynamik öffnet sich jenes „Zwei-zu-Einem-Fleisch” in diesem Akt selbst jedesmalig sperrangelweit für die Möglichkeit, eine Neue Menschen-Person zu erwecken. Diese Person wird zum unabwischbaren und „... bleibenden Zeichen der tatgewordenen ehelichen Einheit und lebendige und untrennbare Synthese des Vater- und Mutterseins” (FC 14) dieser konkreten zwei Personen.

Es ist klar, dass die geschlechtliche Vereinigung an sich, sollte es auch in diesem Fall in ihrer Folge zur Verbindung der Gameten jener beiden Ehegatten gekommen sein, also sollte es zur Entstehung der Zygote gekommen sein und folgerichtig: zu einer Neuen Menschen-Person, allein an sich nicht imstande ist, den menschlichen Geist zu ‘erschaffen’. Der Geist erscheint nicht infolge der Verbindung von Materie + Materie: die Materie ist außerstande den Geist zu ‘zeugen’! Ohne ‘Geist’ aber gibt es die menschliche Person nicht! Mit dem Geist, also mit neuer Menschen-Person, beschenkt die entstehende Zygote, die sich infolge der geschlechtlichen Vereinigung gebildet hat – jedes Mal die „liebende Allmacht des Schöpfers” (DeV 33).

Wie viel hinreißende Wahrheit des Seins enthalten die schlichten Worte Johannes Paul II. aus seinem „Brief an die Familien” (Jahr 1994):

„Wenn wir sagen, dass die Ehegatten als Eltern Mitarbeiter Gottes-des-Schöpfers in der Empfängnis und Zeugung des Neuen Menschen sind [sieh: FC 28], beziehen wir uns mit dieser Formulierung nicht nur auf die Gesetze der Biologie, sondern darauf, dass in der menschlichen Elternschaft Gott selber gegenwärtig ist – gegenwärtig in noch anderer Weise, als es in jeder anderen Zeugung in der sichtbaren Welt, ‘auf Erden’ geschieht.
– Es kann doch allein von Ihm die ‘Ebenbildlichkeit und Ähnlichkeit’ stammen, wie sie dem menschlichen Wesen eigen ist, wie es bei der Schöpfung war. Die Zeugung ist die Fortführung der Schöpfung” (BF 9).

Eheleute können unmöglich keine lebendige Wahrnehmung erfahren, dass sie in solcher Stunde auf eine schwindelerregende Höhe gehoben werden, als tatsächliche und wirkliche Mit-Arbeiter der Schöpfer-Macht Gottes selbst:

„Darum streben Mann und Frau durch ihre gegenseitige Hingabe, die ihnen in der Ehe eigen und ausschließlich ist, nach solcher Personen-Kommunion, in der sie sich gegenseitig vervollkommnen sollen, um mit Gott zusammenwirken bei der Weckung und Erziehung neuer Menschen ...” (HV 8).

Das Bewusstwerden um die Tatsache, dass die geschlechtliche Vereinigung, in der nicht die gegenseitige Nutznießung des Leibes als Werkzeuges zum Herausschlagen des ‘Sexus’ zum Ausdruck kommen soll, sondern die tatsächliche Vereinigung von Mann und Frau auf dem Niveau, das würdig wäre ihrer personalen Liebe – wird zugleich zur Grundlage für eine vielfältige Fruchtbarkeit ihrer Liebe.

Zu ihrem ersten und grundsätzlichen Erweis wird ihr Kind: das sichtbare und von nun an nicht mehr abwischbare Zeichen, dass diese zweien ein solches Eins-in-Liebe geworden sind, dass die Macht ihrer Vereinigung mit Erscheinung eines neuen Menschen Frucht gebracht hat. Die neue Menschen-Person ist Frucht nicht nur der geschlechtlichen Vereinigung dieser zweien, sondern darüber hinaus lebendiges Zeichen, dass in diese Vereinigung damals Gott der Schöpfer selbst eingegriffen hat, indem Er die entstandene Zygote mit seinem „Ebenbild und Ähnlichkeit”  beschenkt hat (Gen 1,26f.).

Das bedeutet, dass die Eheleute bei ihrem geschlechtlichen Verkehr jedesmalig innerlich bereit sein sollen für die Annahme der potentiellen Nachkommenschaft und ihr die Bedingungen schaffen sollen sowohl für ihre physische, wie geistige Entwicklung. Diese Entwicklung wird Frucht der Mühe und Kunst der Erziehung (sieh: LuV 85). Selbst die Erziehungsarbeit bedeutet die fortwährend bestehende weitere Folge des ‘Gebärens’ und der Formung des neuen Menschen, diesmal vor allem der Gestaltung seines Inneren: es ist empfänglich dafür, dass es als „Ebenbild und Ähnlichkeit” Gottes selbst modelliert werden kann. In diese Tätigkeit schließt sich selbstverständlich umso mehr die Liebe des Schöpfers ein, und zwar durch die Gaben seiner Gnade (sieh: LuV 86f.).

So kommt umso deutlicher der Gegensatz zum Vorschein zwischen der Menschen-Sicht bei der Weitergabe von Leben, und der Sicht Gottes zur selben Stunde:

„... Der sexuelle Trieb besitzt gerade durch jene Verbindung mit dem göttlichen Schöpfungswerk seine objektive Größe. Leider diese Größe schwindet fast völlig vom Blickfeld einer Denkweise, die nur von ‘naturhaft-biologischer’ Ordnung inspiriert wird ...” (LuV 88f.).

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Teilnahme der Vernunft – des Willens – der Verantwortung

Es drängt sich die Frage auf nach dem gegenseitigen Einfluss des Instinkts und Triebes beim Menschen auf seine personalen Vermögen: die Vernunft und den Willen. Wir greifen wiederholt die Erwägungen von Erzbischof Wojtyla auf.
– Bei einem Tier löst sich sein Streben nach sinnlicher Annehmlichkeit aus und endet sofort auf instinktivem Weg in der Stunde, wenn sie erreicht wird. Die Kopulation erfüllt ihr Ziel: sie dient der Erhaltung der Gattung, nicht aber der Liebe.

Die Liebe wird erst dort möglich, wo der freie Wille da ist. Denn der Wille benötigt den Raum der Freiheit: über die verfügt allein der Mensch, die Person.
– Hier ein weiteres Bruchstück vom angeführten „Studium” von Erzbischof Wojtyła:

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Es dauert die Rettungsaktion nach neuerlichem weiterem großem Erdebeben. Ringsherum ist alles in Ruinen: verzerrte Häuser, zertrümmerte Gebäude, entstandene Löcher in die Tiefe der Erde. Prioritäre Aufgabe ist es, nach Menschen zu suchen: lebendigen, oder schon ... Verstorbenen ...

„Beim Menschen ist es jedoch nicht so: die ordnungsgemäße Lösung des Verhältnisses zu objektiven Zielen seines Seins bleibt bei ihm in der Macht seiner Vernunft, die den Willen leitet. Daher nimmt diese Lösung einen sittlichen Wert an: sie ist moralisch gut oder schlecht.. ...
– Der Mensch kann in ihm [im sexuellen Trieb] nicht allein die ‘Libido’ [= Befriedigung der Begehrlichkeit] suchen, denn das widersetzte sich seiner Natur, es würde schlechterdings im Widerspruch zu dem stehen, was der Mensch ist. ...
– Ein Subjekt, das mit einem derartigen ‘Inneren’ ausgestattet ist wie der Mensch, ein Subjekt, das Person ist, kann die ganze Verantwortung für den Gebrauch des Triebes – nicht an den Instinkt abgeben, indem er sich nur auf die Lust einstellt – sondern er muss die volle Verantwortung für die Art und Weise übernehmen, wie er den sexuellen Trieb benutzt. Diese Verantwortung stellt die grundlegende, vitale Komponente der Sexualmoral des Menschen dar” (LuV 98f.).

Der Mensch bleibt immer Person. Er ist mit Vernunft ausgestattet, die dem Willen das hinweisen soll, was sein eigentliches Gut ist: nach ihm soll er streben. Darüber hinaus gilt für den Menschen die Verantwortung für jede getroffene Wahl.
– Der Schöpfer nimmt dem Menschen, darunter auch den Eheleuten, niemals die Fähigkeit weg, über ihren freien Willen zu verfügen. Auch die Elternschaft ist im Fall des Menschen nicht Frage eines blinden Fatums, sondern sie stellt eine Chance dar, die Prüfung hinsichtlich der Qualität des Gebrauchs der Freiheit vonseiten dieser zweien zu bestehen. Dieser Aspekt wird am Anfang selbst der Enzyklika Paul VI. „Humanae vitae” (1968) stark hervorgehoben:

„Die überaus ernste Aufgabe, menschliches Leben weiterzugeben, durch die die Gatten freie und bewusste Mitarbeiter Gottes des Schöpfers werden, erfüllt sie immer mit großer Freude, mit der aber manchmal nicht geringe Schwierigkeiten und Kummer verbunden sind ...” (HV 1).

Mit wie viel Recht beruft sich hier Paul VI. einerseits auf die Liebe der Ehegatten, wobei er aber zu gleicher Zeit ihre Verantwortung hervorhebt, als die „freien und bewussten Mitarbeiter Gottes des Schöpfers” (ebd.: HV 1). Der Heilige Vater erklärt zugleich den eigentlichen Sinn der von ihm gebrauchten Bezeichnung: „verantwortliche Elternschaft” (HV 7.10: paternitas conscia; sieh ob.: Verantwortliche Elternschaft).

Sein Nachfolger, Papst Wojtyła, fasst seine Bemerkungen zum Thema der gegenseitigen Beziehungen zwischen den erwähnten Merkmalen in folgenden Worten zusammen:

„Aufgrund der Tatsache, dass Mann und Frau Personen sind, müssen sie die Ziele der Ehe bewusst verwirklichen, und zwar gemäß der oben angegebenen Ordnung [= nach dem personalistischen, nicht utilitaristischen Prinzip], so ist nämlich die objektive Ordnung, die für die Vernunft zugänglich, und daselbst für Personen verpflichtend ist.
– Zur selben Zeit gibt die personalistische Norm, welche im Gebot der Liebe im Evangelium enthalten ist, die grundlegende Weise an, diese Ziele zu verwirklichen, die dabei in sich selbst auch von der Natur herfließen, und zu diesen der sexuelle Trieb den Menschen hinordnet.
– Die sexuelle Moral, und genauer genommen: die eheliche Moral, beruht auf einer stabilen und höchst reifen Synthese der Zielhaftigkeit der Natur mit der personalistischen Norm. Wenn irgendeines der erwähnten Zwecke der Ehe unabhängig von der personalistischen Norm betrachtet werden sollte [das heißt: ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass Mann und Frau Personen sind], müsste es zu irgendwelcher Form des Utilitarismus führen ...
– ... Die Verwirklichung aller Zwecke der Ehe muss also zugleich die Erfüllung der Liebe als Tugend darstellen, denn nur als Tugend entspricht die Liebe dem Gebot des Evangeliums und den Forderungen der in diesem Gebot enthaltenen personalistischen Norm” (LuV 104f.).

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2. Bestandteile der bräutlichen Liebe

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Integration von Sinnlichkeit-Gefühle-Wahrnehmungen in die personale Liebe

Bei unseren Erwägungen sammeln wir uns vor allem auf der bräutlichen Liebe. Gerade diese – mehr als andere Formen der Liebe, beruht auf Hingabe der eigenen Person – der geliebten Person. Es muss hier jede Art von Inbesitznahme der sich hingebenden Person – als Sache-Ding in physischem Sinn, ausgeschlossen bleiben. Eine Person hört niemals auf eine Nicht-Sache zu sein, da sie doch von Natur aus Person ist und demzufolge ein eigenes inneres Leben entwickelt (sieh: LuV 142f.).

Wir wissen aber auch schon, dass das, was in physischer Ordnung unmöglich ist: Inbesitznahme einer Person gleichsam eines Dinges-Sache, in Ordnung der Liebe möglich wird, zumal in ihrer bräutlichen Abänderung. Auf solche Art und Weise kann der Mensch, die Person – sich selbst sei es an eine andere Person hingeben, sei es an Gott selbst.

Wir greifen wieder die Erwägungen des Erzbischofs Wojtyła auf:

„Die Selbsthingabe als Form der Liebe gestaltet sich im Inneren der Person aufgrund der reifen Sicht der Werte und der Bereitschaft des Willens, der fähig ist, sich auf eben solche Art und Weise zu engagieren.
– In jedem Fall, die bräutliche Liebe kann nicht etwas fragmentarisches, noch zufälliges im inneren Leben der Person sein. Sie stellt immer eine besondere Kristallisierung des ganzen menschlichen ‘Ichs’ dar, wenn es nämlich in Kraft dieser Liebe entschieden ist, über das eigene Selbst auf gerade solche Weise zu verfügen.
In der Hingabe seiner Selbst müssen wir einen besonderen Beweis des ’Selbstbesitztens’  finden ...” (LuV 145).

Bei gegenseitigen Beziehungen zwischen den Eheleuten kommt es zweifellos zu Gemütsbewegungen und sinnlichen Erlebnissen: diese beiden sind doch auch geschlechtliche Leiber, in denen Erregungen ausgelöst werden. Dennoch bei der gegenseitigen Begegnung drängt sich in den Vordergrund in erster Reihe das Mensch-Sein des Mit-Gatten, obwohl es sich durch ihren weiblichen oder männlichen Leib offenbart. Die aufkommenden sinnlichen Erregungen können sich leicht auf nutznießerischem, oder konsumtivem Ausnutzen des geschlechtlichen Leibes sammeln. Die Person dieses anderen würde in solcher Situation auf den Rang eines Gegenstandes der sexuellen Begierde herabgewürdigt werden.

Dennoch, der Mensch ist Person, und als Person darf er Gegenstand der Nutznießung nicht werden: der geschlechtliche Leib hat seinen Wert erst im Verbundensein mit dem Wert der Person selbst des Menschen. Die sexuellen Wahrnehmungen, die mit der Kopulation bei dem Tier einhergehen, stimmen völlig mit seiner Natur überein – als Verwirklichung des Art-Instinktes. Dagegen im Fall des Menschen müssten ähnliche Wahrnehmungen als unterhalb seiner personalen Natur qualifiziert werden (vgl. LuV 159).

Wir wenden uns wieder an die Erwägungen des Erzbischofs Wojtyła:

„Demzufolge ist also die Sinnlichkeit von sich aus keine Liebe, sie kann dagegen sehr leicht zu ihrem Gegenteil werden. Zugleich müsste aber anerkannt werden, dass falls man ‘Frau zu Mann’ zusammenstellt, die Sinnlichkeit als natürliche Reaktion angesichts der Person des anderen Geschlechts doch irgendeinen Rohstoff bei ehelicher, bräutlicher Liebe zutage bringt.
– Dennoch von sich allein spielt sie diese Rolle entschieden in keinem Fall. Die Einstellung auf sexuellen Wert, verbunden mit ‘Leib’ als Gegenstand des Nutznießens, verlangt unbedingt nach Integration: dieser Wert muss in die ganzheitliche und reife Beziehung zur Person einbezogen werden. Sollte dieses fehlen, ist es entschieden keine Liebe. ... Die Sinnlichkeit muss demnach für andere, edlere Bestandteile der Liebe offen bleiben.
Denn von allein ist die Sinnlichkeit für das Person-Sein völlig blind: sie ist nur auf sexuellen Wert eingestellt, inwiefern er mit dem ‘Leib’ verbunden ist ...” (LuV 160).

In bräutlicher Liebe kommt außerdem die ganze Frage nach Gefühlen und Zärte zum Vorschein, samt der Vielfalt der inneren Erlebnisse, die mit aufkommender Liebe verbunden sind. Das alles sammelt sich um sexuelle Wahrnehmungen, wobei sich gewöhnlich gerade diese mit großer Intensität kennzeichnen (LuV 162-168). Soll das Band zwischen zwei Personen ihrer beiden als Personen würdig sein, muss eine innere Integrierung all dieser Wahrnehmungen, Erlebnisse und allen Strebens stattfinden, wie auch unbedingt ihr Emporheben zur Höhe der Würde der Person erfolgen. Dieser Vorgang muss offenbar nach menschlicher Freiheit ablaufen und den Forderungen der Wahrheit entsprechen.

Wir ziehen von neuem die Analysen von Erzbischof Wojtyła heran:

„Der Vorgang der Integration der Liebe stützt sich auf den geistigen Bestandteil im Menschen: auf Freiheit und Wahrheit.
Freiheit zusammen mit Wahrheit, Wahrheit zusammen mit Freiheit entscheiden über das geistige Mal, das sich auf verschiedenen Erscheinungsformen des menschlichen Lebens und Handelns ausprägt. Sie dringen gleichsam in die tiefsten Nischen der menschlichen Betätigungen und menschlichen Erlebnisse ein, sie füllen sie mit solchem Inhalt, dessen keine Spuren wir im tierischen Leben begegnen.
Gerade diesen Inhalten verdankt auch die Liebe zwischen Personen unterschiedlichen Geschlechts die ihr eigene Konsistenz. Auch wenn sie sich so stark und ausdrücklich auf dem Leib und den Sinnen stützt, sind es doch nicht der Leib und die Sinne allein, welche den ihr eigenen Grundinhalt und das ihr eigene Profil schaffen.
Die Liebe ist immer irgendeine Angelegenheit des Inneren und Sache des Geistes. Im Maß, wie sie aufhört, Angelegenheit des Inneren und Sache des Geistes zu sein, hört sie auf, Liebe zu sein ...” (LuV 172).

Es sind schwerwiegende Worte. Ihr Inhalt soll zum Maßstab und zur Determinante werden, die es zwei ‘verliebten’ Personen an ihre Beziehungen anzulegen gilt. Sie erlauben es ihnen zu erkennen, ob sie zum Aufbau der gegenseitigen Beziehungen auf dem Grundsatz der ihrer Personen würdigen Liebe hinstreben, oder auch die untereinander ausgetauschten Anzeichen von ‘Liebe’ sind außer Stande, der personalistischen Norm stand zu halten.

Wir hören weiter den Worten von Erzbischof Karol Wojtyła zu:

„Der Wille ist sozusagen diese letzte Instanz in der Person, ohne deren Beteiligung kein Erlebnis seinen vollen personalen Wert hat, es besitzt kein ganzheitliches Artsgewicht, das der Person angemessen wäre. Jenes Artsgewicht der Person ist enge mit der Freiheit verbunden, und die Freiheit ist Eigenschaft des Willens ...
Daher geht es bei dem Vorgang der psychologischen Integration, der sich samt der geschlechtlichen Liebe im Inneren der Person ereignet, nicht nur um den Einsatz des Willens, sondern um das vollwertige Engagement der Freiheit. Es geht darum, dass sich der Wille auf möglichst volle Weise einsetzt, auf eine Weise, die ihm am meisten eigen ist.

Ein wirklich freies Engagement des Willens ist nur möglich auf der Grundlage der Wahrheit. Jeder inneren Situation ist ihre psychologische Wahrhaftigkeit eigen: das sinnliche Begehren hat die eigene Wahrhaftigkeit, anderseits zeichnet sich auch das gefühlsgeladene Engagement mit eigener Wahrhaftigkeit aus. Es ist subjektive Wahrhaftigkeit: ‘Der Er – begehrt wirklich nach der Sie ..’.
... Die Liebe verlangt jedoch nach objektiver Wahrheit. Nur dank ihr, nur auf ihrer Grundlage kann die Integration der Liebe stattfinden.
Solange wir sie nur im Licht ihrer subjektiven Wahrhaftigkeit betrachten, können wir noch kein vollständiges Bild von ihr gewinnen und nichts über ihren objektiven Wert aussagen. Gerade aber dieser letzte ist das Wichtigste ...” (LuV 172ff.).

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Integrierungsvorgang der Reflexe des Leibes in Liebe als Tugend

Der Schöpfer hat den Menschen mit allen Gaben der Natur ausgestattet – und zusätzlich ihm noch Gaben der Über-Natur geschenkt.
(es geht also um Gaben die von der ‘Natur’ aus dem Menschen nicht zukommen sollten: das Leben der heiligmachenden Gnade, Befähigung zur Vereinigung mit Gottes Leben und Liebe).
Sie sind unentbehrlich, um die Gabe des Lebens entwickeln imstande zu sein auf dem Niveau, das der zum ewigen Leben berufenen Person würdig wäre .
– Seinen besonderen Wert verdankt der Mensch selbstverständlich der Tatsache, dass er als Person erschaffen worden ist, also nicht – als Ding-Sache. Daselbst ist er aber innerlich verpflichtet, bei seinem Verhalten die personalistische Norm zu befolgen. In der Sprache des Evangeliums heißt sie ‘Gebot der Liebe zu Gott und dem Nächsten’ (vgl. LuV 178f.).

Wir führen weitere Gedanken des Erzbischofs Karol Wojtyła an:

„Eine Person unterscheidet sich von einem Ding, einer Sache – mit ihrer Struktur und Vollkommenheit.
Zur Struktur der Person gehört das ‘Innere’, in dem wir Anlagen des geistigen Lebens finden, und das nötigt uns dazu, die geistige Natur der menschlichen Seele zu anerkennen.
Demzufolge besitzt die Person die ihr eigene geistige Vollkommenheit. Diese Vollkommenheit entscheidet über ihren Wert.
Es ist doch nicht erlaubt, die Person gleich einer Sache (beziehungsweise auf gleicher Art: wie das Individuum eines Tieres) zu betrachten, wenn sie ihre geistige Vollkommenheit besitzt, indem sie einigermaßen Geist (fleischgewordener Geist), und nicht bloß ‘Leib’ ist, sollte er selbst herrlich belebt sein. Zwischen der Psyche des Tieres und der Geistigkeit des Menschen besteht eine enorme Distanz, eine unüberbrückbare Kluft’ ...” (LuV 98).

Es wäre schwierig eine noch mehr klare und tiefgehende Charakteristik des Wesens der menschlichen Person darzustellen. Wir sind uns wohl bewusst, dass die Liebe zwischen Mann und Frau an den sexuellen Wert dieser beiden anknüpft. Dennoch mit diesem Wert ist das ganze Mensch-Sein durchdrungen – sowohl dieses männliche, wie dieses weibliche, also nicht nur die Geschlechtsorgane allein, beziehungsweise die Eigenschaften der Geschlechtlichkeit. Mit männlichem oder weiblichem Mensch-Sein ist doch die ganze Person gekennzeichnet des einen, wie dieses zweiten der Teilnehmer der Liebe – auch dieser bräutlichen. Dies betrifft also nicht nur ihren ‘Leib’, sondern ebenfalls ihren Geist, samt den ihm eigenen strikt geistigen Vermögen.

Die Liebe – als Wirklichkeit des Geistes – betrifft offensichtlich in erster Reihe die Person des einen und zweiten dieser beiden. Sie ist es, die den ersten und hauptsächlichen Wert und Grundlage für die sich entfaltende Liebe unter ihnen darstellt. Die sexuellen Aspekte ihrer Leiber reihen sich in der Hierarchie des Personen-Wertes notgedrungen erst in zweiter Reihe an, trotzdem auch sie den ihnen eigenen Wert darstellen.

In dieser Lage sind sich die beiden Brautleute bewusst, dass die in ihnen spontan aufkommenden sinnlich-gefühlsmäßige Reaktionen nach Integrierung mit dem Wert ihrer beiden Personen selbst fordern. Die beiden dürfen nicht zulassen, dass ihre sexuellen Werte an sich Oberhand über sie als Personen nehmen. Sie verlangen danach – nicht erstickt zu werden, noch vorzutäuschen, dass die spontanen Reaktionen nicht zutage erscheinen. Diese beiden sollen dagegen wachsame Bemühungen unternehmen, dass sie diese Reaktionen der Tatsache unterziehen, dass die zwischen ihnen gewordene Liebe ihre Vereinigung auf der Ebene ihrer Personen anstrebt, nicht aber ihrer beiden als zweier ‘Sexus’.

Dies ist es, was eben die bei ihnen erarbeitete ständige Bejahung des eigenen Wertes als Person werden soll, das heißt die deutliche Bestätigung ihrer Selbst gegenseitig in ihrer Ausrichtung nicht nur auf flüchtige Bekanntschaft, und nicht auf nutznießerischen Gebrauch ihres Geschlechtskörpers, sondern auf Verbindung miteinander für die Dauer – um des Wertes willen, den ihre eigenen Personen für sie beiden darstellen.

Solche Entwicklung der Liebe wird dann möglich, wenn das sich unter ihnen entfaltende Band sich in Tugend der Liebe umwandelt. Die Tugend überragt die Gefühle allein, die ihrer Natur nach sich als veränderliche Wirklichkeit erweisen können. Umso mehr überragt die Tugend der Liebe die bei beiderseitigem Verweilen erscheinenden nur Erregungen der Sinne (sieh: LuV 181f.).

Es ist klar, dass die so begriffene Tugend der Liebe einen bewussten Einsatz des Willens und der Freiheit der Person voraussetzt, was aber Resultante der Wahrheit ihrer beiden darstellt. Das Bewusstsein darum, dass es hier fortwährend um die Person in ihrer ganzen Würde geht, „durchdringt alle Reaktionen, alle Gefühle, ja das ganze Verhalten” (LuV 182). Dieser Vorgang setzt ein fortbestehendes Engagement des Selbst-Bewusstseins und der Wachsamkeit voraus. Das Einbeziehen der spontan aufkommenden Reflexe der Sinnlichkeit in eine Liebe, die der Person würdig ist, setzt eine tatsächliche Gestaltung am eigenen Charakter voraus – um so die Tugend der Liebe zu befestigen.

Es kommt uns von neuem der Erzbischof Wojtyła zu Hilfe:

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Eine weitere Mutter, die den gesegneten Zustand der Mutterschaft völlig akzeptiert hat - samt allen Pflichten, aller Last, aber auch aller Gottes und menschlicher Freude: Mutter in vollem Sinn dieses Wortes zu sein. Nachdem das Kind zur Welt gebracht wurde - beginnt sein anderes Gebären, dieses schwierigere: dass es zum Himmel geboren wird.

„Die Liebe, die Tugend ist, knüpft an die Gefühlsliebe an, wie auch an diese, die im sinnlichen Begehren enthalten ist.
Es geht nämlich in der ethischen Ordnung keineswegs darum, um den ‘sexuellen’ Wert, angesichts dessen die Sinne und das Gefühl reagieren, zu verwischen oder sie zu übergehen. Es geht nur darum, um diesen Wert stark mit dem Wert der Person zu binden, da sich doch die Liebe nicht auf ‘den Leib’ allein ausrichtet, noch selbst auf ‘einen Menschen des anderen Geschlechts’, sondern geradeaus auf die Person” (LuV 182f.).

Dieser Feststellung gehört sich eine grundsätzliche Aufmerksamkeit. Die personalistische Norm widersetzt sich niemals der Ausstattung der menschlichen Natur, sondern sie weist auf die Richtung hin, die den spontan aufkommenden Reaktionen des Leibes angegeben werden soll, so dass sie in die Liebe einverleibt werden, deren Ziel nicht der ‘Sexus’ ist, sondern die Person – diese eigene, und diese des anderen:

„Die Liebe kann sich auf der Sinnlichkeit allein nicht stützen, noch selbst auf bloßer Gefühlsempfindung. Sowohl die eine, wie die andere geht irgendwie an der Person vorbei, sie lässt ihre Bejahung nicht zu, oder zumindest sie führt zu ihr nicht.
Das trifft trotz der Tatsache zu, dass die Gefühls-Liebe so nahe an einen Menschen heranzutragen scheint und einen Menschen auch so sehr nahe bringt.
Und doch, wiewohl sie den ‘Menschen’ herannaht, kann sie leicht an der ‘Person’ vorbeigehen ...
Die Gefühls-Liebe ... besitzt solche reife innere Kohärenz nicht, wie sie von der vollständigen Wahrheit über die Person gefordert wird, die der eigentliche Gegenstand der Liebe ist” (LuV 183f.).

So verstehen wir auch diese Worte des künftigen Papstes Wojtyła. Er führt seine Analyse der bräutlichen Liebe weiter:

„Die Bejahung des Wertes der Person .... muss sich erst ihren Platz erwerben unter diesen erotischen Erfahrungen, deren nächster Gegenstand sei es die Sinnlichkeit, sei es das Gefühlsleben des Menschen ist.
Die Bejahung des Wertes der Person ... führt einerseits in Richtung ... einer gewissen Beherrschung jener Wahrnehmungen, deren unmittelbare Quelle die Sinnlichkeit und das Gefühlsleben des Menschen ist ...
Die andere Richtung, in welcher die Bejahung des Wertes einer Person ihre Tätigkeit entfaltet, stellt die Ausrichtung dar auf die Wahl der grundsätzlichen Lebensberufung ... [Wahl einer betreffenden Person] zum Gefährten für das ganze Leben ...” (LuV 183f.).

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Gegenseitige Zugehörigkeit – beiderseitige Hingabe

Erzbischof Wojtyła erörtert weiter das Thema der bräutlichen Liebe, die sich „von ihren anderen Formen und Erscheinungen völlig mit ihrem eigenartigen Qualitätsgewicht unterscheidet” (LuV 185). Er bemerkt:

„Die Liebe entreißt die Person gleichsam von dieser natürlichen Un-Antastbarkeit und Un-Abtrittbarkeit [= die Person kann ihre Un-Abtrittbarkeit nicht loswerden]. Die Liebe veranlasst es nämlich, dass die Person sich einer anderen gerade dahinschenken will – und zwar dieser, die sie lieb hat. Sie wünscht gleichsam aufhören, ihr ausschließliches Eigentum zu sein, und stattdessen Eigentum dieses anderen zu werden ...
Die Liebe geht über solchen Verzicht durch, indem sie sich aber nach dieser tiefen Überzeugung geleiten lässt, dass dieser Verzicht nicht zu einer Schrumpfung und Verarmung führt, sondern geradeaus im Gegenteil – zu einer Ausweitung und Bereicherung der Existenz der Person.
Es ist gleichsam das Gesetz der ‘Ekstase’ : ein Aus-sich-Treten, um umso voller in diesem anderen da zu sein ...” (LuV 185).

Der Erzbischof hebt aber hervor – gemäß den Forderungen des Personalismus:

„Die Selbsthingabe, die Hingabe der eigenen Person, kann vollwertig werden, wenn sie Teilnahme und Werk des Willens ist. Denn es ist dank dem Willen, dass die Person Herrin ihrer Selbst ist, sie ist ein jemand Un-Abtrittbarer und Un-Überweisbarer (alteri incommunicabilis). Die bräutliche Liebe, die Liebe der Hingabe ist, engagiert den Willen auf besonders tiefgehende Weise. Es ist bekannt, dass man hier über sein ganzes ‘Ich’ verfügen muss, man muss ‘seine Seele verschenken’ ...
– Denn im Gegensatz zu jenen Meinungen, die die ganze Frage der Sexualität oberflächlich auffassen, die also allein die leibliche Hingabe der Frau an den Mann als letzten Schritt der ‘Liebe’ halten (erotische Liebe) – gehört es sich hier unbedingt von gegenseitiger Hingabe und gegenseitiger Zugehörigkeit der beiden Personen zu sprechen.
Nicht beiderseitige sexuelle Nutznießung, bei der die ‘Sie’ ihren Leib an den ‘Ihn’ zum Besitz hingibt, sodass sie beiden dabei ein Maximum sexueller Lust erfahren können – sondern geradeaus die gegenseitige Hingabe und die gegenseitige Zugehörigkeit zueinander ihrer Personen. Dies schafft die ganzheitliche und völlige Auffassung der Natur der bräutlichen Liebe, die ihre Erfüllung in diesem Fall in der Ehe findet.
– In gegenteiliger Auffassung wird über die Liebe von vornherein ein Strich gemacht – zugunsten allein der Nutznießung ... Die Liebe kann sich in Nutznießung allein nicht offenbaren, sollte es auch beiderseitig und zu gleicher Zeit geschehen. Sie äußert sich dagegen rechtmäßig in Vereinigung von Personen.
Frucht der Vereinigung ist ihre gegenseitige Zugehörigkeit. Zu ihrem Ausdruck wird (unter anderen) der vollgültige geschlechtliche Verkehr ... ...
Nur in der Ehe ist er auf seinem angemessenen Ort” (LuV 186f.).

Man kann nicht schwer verstehen, dass die Worte des künftigen Papstes wichtig und verpflichtend wirken. Ähnlich wie auch seine weiteren, ergänzenden Worte. Der Erzbischof Wojtyła weist in ihnen auf zwei Profile der Liebe hin: das subjektive (hauptsächlich der sexueller Wert), und das objektive Profil (Wert der Person: Gegenseitigkeit der Freundschaft):

„Vom ethischen Blickpunkt aus geht es hier vor allem darum, dass die natürliche Reihenfolge der Tatsachen nicht umgekehrt wird, noch keine von dieser Reihenfolge übergegangen wird.
Zuerst muss die Vereinigung der Personen: Frau und Mann aufgrund der Liebe erreicht werden. Erst dann kann Erweis der reifen Vereinigung auch der sexuelle Verkehr ihrer beiden stattfinden ...
– Liebe im subjektiven Profil ist immer irgendein psychologisches Anliegen, eine Erfahrung die über den ‘sexuellen’ Wert hervorgerufen wird und sich um ihn im Subjekt sammelt, beziehungsweise in zwei Subjekten, die beiderseitig die Liebe erleben.
Liebe im objektiven Profil ist inter-personale Tatsache, sie ist Gegenseitigkeit und Freundschaft, die auf irgendeiner Gemeinschaft im Guten stützt. Sie ist also immer Vereinigung von zwei Personen, und kann zu ihrer Zugehörigkeit werden ...” (LuV 187f.).

Über den Wert und die Qualität der Liebe entscheidet selbstverständlich das erwähnte ‘objektive Profil”, das heißt die Vereinigung der Personen und ihre gegenseitige Zugehörigkeit:

„Das objektive Profil [= Gegenseitigkeit-Freundschaft-Vereinigung im Guten] ist das Entscheidende. Es wird in zwei Subjekten erarbeitet, natürlich über jenem ganzen Reichtum von sinnlich-gefühlsgeladenen Erfahrungen, die zum subjektiven Profil der Liebe gehören, dennoch sie identifizieren sich mit ihnen nicht.
Den sinnlichen Erfahrungen ist ihre eigene Begehrens-Dynamik inne: sie hängen mit der Sinnesempfindung und der sexuellen Vitalität des Leibes zusammen. Auch die gefühlsgeladenen Erfahrungen haben ihren eigenen Rhythmus: sie streben danach, jene positive Stimmung zu schaffen, die die Empfindung der Nähe der geliebten Person und irgendein spontanes Verständnis erleichtert.
Dagegen die Liebe strebt nach Vereinigung – durch ihre gegenseitige Hingabe einander. Dies ist eine Tatsache von tiefer objektiver, geradezu ontologischer Bedeutung, und deswegen gehört sie auch zum objektiven Profil der Liebe. Sinnliche und gefühlsgeladene Erfahrungen identifizieren sich mit ihm nicht, auch wenn sie den Bedingungskomplex schaffen, unter denen diese Tatsache zur Wirklichkeit wird.
Zugleich taucht jedoch ein anderes Problem auf, das geradeaus gleichsam umgekehrt wirkt: wie soll diese seine und die von ihrer Seite gewordene Gegenseitigkeit der Personen unter all diesen sinnlich-gefühlsgeladenen Erfahrungen aufrecht erhalten und tiefgegründet werden, wenn diese sich von sich aus durch ihre Beweglichkeit und Veränderlichkeit kennzeichnen?” (LuV 187f.).

Die Erwägungen von Erzbischof Wojtyla setzen fortwährend eine große Ladung von Konzentration und Aufmerksamkeit voraus. Die Ehrlichkeit beim Denken darf aber nicht leugnen, dass sie völlig maßgebend und verantwortlich sind.

So möchten die weiteren Worte der Erzbischofs angeführt werden:

„... Der sexuelle Wert, der in verschiedener Gestalt gleichsam das Kristallisations-Zentrum der sinnlich-gefühlsgeladenen Erfahrungen darstellt, muss im Bewusstsein und Willen mit der Beziehung zum Wert der Person stark verbunden werden: mit jener Person, die gleichsam jene Erfahrungen liefert. Erst dann kann an die Vereinigung von Personen und ihre Zugehörigkeit gedacht werden. Ohne dieses bedeutet die ‘Liebe’ nur das Erotische, es gebührt ihr dagegen die wesentliche Bedeutung: diese personale – nicht. Sie führt zur sexuellen ‘Kopulation’, aber ohne Deckung in wahrer Vereinigung von Personen.
– Eine solche Situation kennzeichnet sich mit ihrem utilitaristischen Charakter aus. Über das gegenseitige Verhältnis der Personen entscheidet hier das, was im Wort ‘nutznießen’ enthalten ist ... Eine ‘Sie’ gehört dann zu einem ‘Er’ als Nutznießungs-Gegenstand, wobei – indem sie ihm die Gelegenheit bietet, sie zu ‘nutznießen’, sie darin auch irgendeine Annehmlichkeit zu finden sucht.
– Eine derartige Einstellung auf beiden Seiten widersetzt sich von Grund aus der Liebe, und von Vereinigung der Personen kann dann nicht gesprochen werden. Ganz im Gegenteil, alles wird hier gleichsam zum Konflikt der beiderseitigen Interessen vorbereitet, der nur auf Ausbruch lauert. Nur zeitweise kann die Eigensucht verborgen bleiben: der Egoismus der Sinne, beziehungsweise Egoismus der Gefühle – in den Schlupfwinkeln einer fiktiven Struktur, die mit allem scheinbar guten Glauben als ‘Liebe’ bezeichnet wird. Mit der Zeit muss sich aber die ganze Unredlichkeit dieses Aufbaus offenbaren. Dies ist eines der größten Leiden, wenn nämlich die Liebe sich nicht als das erweist, für was sie gehalten wurde, sondern als etwas geradezu Entgegengesetztes” (LuV 188f.).

In Zusammenfassung der Ermahnungen hinsichtlich der wahren – und trügerischen bräutlichen Liebe, bleiben wir vor weiteren Worten des Erzbischofs Wojtyła stehen:

„Der bräutlichen Liebe ... gebührt eine ihr eigene natürliche Erhabenheit. Das Maß dieser Erhabenheit beruht auf dem Wert der Person, die sich selbst dahingibt – nicht aber nur der Skala der sinnlich-sexuellen Lust, die mit dieser Hingabe einhergeht.
Es ist jedoch ganz leicht, das Wesen der Sache mit dem zu verwechseln, was eigentlich nur nebenseitigen Reflex dieses Wesens darstellt. Wird der Liebe die Tiefe der Hingabe genommen, also die Gründlichkeit des personalen Engagements – dann bleibt von ihr nur noch etwas, was ihre totale Gegenerklärung und ihr Gegenteil bildet ...” (LuV 189f.).

Schlüsselfrage, die es erlaubt, sich vor dem Drama einer trügerischen Liebe zu bewahren, ist die volle Gegenseitigkeit der tatsächlichen Selbsthingabe der hier engagierten zwei Personen:

„... In sie [= die bräutliche Liebe] wird das ‘Geheimnis’ der Gegenseitigkeit eingeflochten: die Annahme muss zugleich gegenseitige Hingabe werden, dagegen die Hingabe zu gleicher Zeit zur Annahme ...
Die Kunst des Gebens und Empfangens besitzt dieser Mann, dessen Verhältnis zur Frau mit gründlicher Affirmation des Wertes der Person dieser Frau durchdrungen ist.
Über diese Kunst verfügt dann diese Frau, deren Verhältnis zum Mann mit der Bejahung des Wertes der Person dieses Mannes durchdrungen ist. Solche Haltung schafft am günstigsten das innere Klima für die Hingabe: das personale Klima der ganzen bräutlichen Liebe ...
– Nur diese Frau ist zur wahren Selbsthingabe fähig, die über die volle Überzeugung des Wertes ihrer Person und zugleich den Wert der Person dieses Mannes verfügt, dem sie sich dahinschenkt.
Und nur dieser Mann ist fähig, die Hingabe der Frau in ganzer Fülle anzunehmen, der über ein gründliches Bewusstsein hinsichtlich der Erhabenheit dieser Gabe verfügt – wobei er diese nicht ohne die Bejahung der Person besitzen kann.
– Das Bewusstsein um den Wert der Gabe erweckt das Bedürfnis, den Dank zu erweisen und die Gabe auf solche Art und Weise zu erwidern, die der Erhabenheit dieser Gabe zu entsprechen imstande wäre” (LuV 190).

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Wahl der Person um ihrer selbst willen: zu ihrem Gut ohne Grenzen

Die erörterte gegenseitige Hingabe aneinander der eigenen Person und das beiderseitige Bewusstwerden um den Wert ihrer Personen, das spontan zur Dankbarkeit für die Erhabenheit und Aufrichtigkeit der sich dahingegebenen Person führt, hängt selbstverständlich mit der Wahl ihrer beiden Personen zusammen. Erzbischof Wojtyła führt seine Analysen weiter, angefangen von Kriterien, die über die Wahl einer konkreten Person an sich entscheiden sollen:

„Liebe ist für Wesen unmöglich, die füreinander undurchdringlich sind. Nur die Geistigkeit und die mit ihr zusammenhängende ‘Innerlichkeit’ der Personen schaffen die Bedingungen für die gegenseitige Durchdringung, so dass sie gegenseitig in sich zu leben imstande sind und gegenseitig durch den anderen leben können ...
... Die Wahl der Person anderen Geschlechts, die Adressat der bräutlichen Liebe sein soll ... muss sich bis zu einem gewissen Maß auf sexuellen Wert stützen ...
Die Erwählung einer Person ist ... ein Vorgang, bei dem der sexuelle Wert nicht die Rolle eines einzigen Beweggrundes spielen darf, und selbst er kann nicht zum hauptsächlichen Beweggrund werden. Das würde gerade im Widerspruch zum Begriff der ‘Erwählung einer Person’ stehen ...
... Sollen wir von der Wahl der Person sprechen, muss das primäre Motiv der Wert der Person selbst sein....
Die geschlechtlichen Werte, die ein ‘Er’ bei der ‘Sie’ vorfindet, ... begründen sicher diese Wahl, allerdings die wählende Person muss sich dabei vollbewusst bleiben, dass sie eine Person wählt ...
– Die Wahl ist dann wirkliche Wahl der Person, wenn sie jenen Wert als den hauptsächlichen und entscheidenden behandelt ... ...
Die wahre Liebe, die innerlich vollständige Liebe, ist jene, bei der wir die Person um der Person selbst willen erwählen: also jene, bei der ein Mann eine Frau und eine Frau einen Mann nicht nur als einen ‘Partner’ für das Sexualleben erwählt, sondern als die Person, der er das Leben dahingeben will. Die in sinnlichen und gefühlsgeladenen Erfahrungen vibrierenden ‘sexuellen’ Werte gehen mit dieser Entscheidung einher, sie tragen zu ihrer psychologischen Ausdrücklichkeit bei, dennoch sie entscheiden über ihre Tiefe nicht. Die ‘Wurzel’ selbst der Wahl der Person muss personal, also nicht nur sexuell sein ...” (LuV 193-197).

Die wahre bräutliche Liebe – also diese personale, muss sich dabei mit Uneigennützigkeit der Gabe auszeichnen. Dieses ist aber Erweis des Willens und seiner Freiheit. Und zwar:

„Der Wille ist ein schöpferisches Vermögen, fähig dazu, das Gute von sich aus zu geben, also nicht nur dazu, dass sie sich das schon bestehende Gute einverleibt. Die Liebe des Willens kommt vor allem als Verlangen des Guten für die geliebte Person zum Vorschein ...
Der Wille erstrebt seiner Natur nach das Gut: es gilt um das Gut ohne Grenzen, also um das Glück ...
– ‘Der Trieb’ führt dahin, dass der Wille nach der Person wegen ihres sexuellen Wertes begehrt und sie verlangt.
– Dagegen der Wille gibt sich damit nicht zufrieden. Er ist frei, das heißt, er ist fähig, nach allem im Verhältnis zum unbedingten Gut zu verlangen, zum Gut ohne Grenzen – zum Glück ... ...
Die wahre Liebe versucht auf diese Weise, indem sie die natürliche Dynamik des Willens benutzt, den Zug einer gründlichen Selbstlosigkeit in das Verhältnis zwischen Frau und Mann hineinzubringen, um diese Liebe von Einstellung auf Nutznießen zu befreien ...” (LuV 200ff.).

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Indien: Ein Junger Mann, dem es gut von seinen Augen schaut. Es ist ein Jüngling, der bewusst an seinem Charakter arbeitet - unter dem Blickpunkt der künftigen Lebensaufgaben, und der ihn erwartenden seiner Berufung.

Kein Wunder, dass Erzbischof Wojtyła gerade in diesem Merkmal der Liebe, das heißt in ihrem Streben danach, diesen Geliebten mit einem Gut ‘ohne Grenzen’ zu beschenken, einen – „Göttlichen Zug der Liebe” erblickt:

„... Die Liebe des Menschen dank der Beziehung auf das Glück, das heißt die Fülle von Gut, kommt gleichsam am nächsten an Gott heran ... Nur Menschen tiefen Glaubens sagen einander ganz klar: Das ist Gott” (LuV 202f.).

Ergänzung dieser Bemerkungen sind die Endworte dieses angeführten Fragmentes. Der Erzbischof Wojtyła weist darin auf die regenerative Fähigkeit einer so begriffenen Liebe hin. Dies geschieht u.a. dadurch, dass sie der geliebten Person ihren personalen Wert zum Bewusstsein bringt:

„Die große sittliche Kraft der wahren Liebe liegt genau in diesem Wunsch nach Glück, das heißt nach dem wahren Gut für die andere Person. Eben das macht es dem Menschen möglich, aufgrund der Liebe neu geboren zu werden. Es gibt ihm die Empfindung um das innere Reichtum, die innere Fruchtbarkeit und Schöpferkraft ...
Die wahre Liebe nötigt mich dazu, an meine eigenen geistigen Kräfte zu glauben. Auch dann, wenn ich ‘schlecht’ bin, heißt mich die wahre Liebe – wenn sie in mir erwacht, das wahre Gut zu suchen – um der Person willen, der sie sich zuwendet.
– Auf diese Weise findet die Bejahung des Wertes der anderen Person ihren tiefen Widerhall in der Bejahung des Wertes meiner eigenen Person, da doch geradeaus um des Wertes der Person willen, und zugleich dank ihm, nicht aber infolge allein des sexuellen Wertes, im betreffenden Subjekt die Notwendigkeit aufwacht, das Glück für dieses andere ‘Ich’ zu verlangen.
Wenn die Liebe ihre vollständigen Ausmaßen erreicht, dann bringt sie in die Beziehung nicht nur ein personales ‘Klima’ der Redlichkeit, sondern auch ein gewisses Empfinden um das ‘Absolute’: die Begegnung mit dem, was es das Unbedingte und Letzte gibt. Die Liebe ist tatsächlich der höchste sittliche Wert ...” (LuV 203f.).

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3. Keuschheit: dieses große ‘Nein’ – oder das große ‘Ja’

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Quelle und Täuschung wegen der ‘sinnlichen Liebe’

Es wäre schwierig bei der Besprechung der bräutlichen Liebe, die der ethischen personalistischen Norm, und zugleich dem Gebot Gottes hinsichtlich der Liebe entspricht, nicht auch die Keuschheit als Gottes Forderung, die vom VI. und IX. Gebot befohlen wird, zu erwähnen.
– Allem Widerwillen vieler zuwider, sooft das Thema auf die Frage der ‘Keuschheit’ hinsichtlich der bräutlichen, und nachher ihrerseits der Ehepaare kommt, ist die Keuschheit kein Hindernis für die Liebe zwischen Brautpaaren, sondern eine durchaus positive Tugend. Erst das Klima der Keuschheit sichert das Milieu, in dem die wahre Liebe, zumal die bräutliche erscheinen kann. Die Keuschheit ist keineswegs etwas Angeworfenes, das auf Vereitlung der ‘Liebe’ berechnet wäre, sondern stellt ihre grundlegende Voraussetzung dar:

„... Man muss sich von all diesen ‘Liebes’-Erfahrungen befreien, welche keine Deckung in der wahren Liebe besitzen, das heißt in der gegenseitigen Beziehung zwischen Mann und Frau, die auf einer Bejahung des Wertes der Person gegründet ist ...
Das Wort ‘Keuschheit’, des Öfteren auch synonym ‘Reinheit’ genannt, besagt die Befreiung von all dem, was ‘beschmutzt’. Die Liebe muss sozusagen durchsichtig sein: durch alle Erfahrungen hindurch, durch alle Betätigungen, die ihren Quell in ihr haben: es muss immer ein solches Verhältnis zur Person des anderen Geschlechts sichtbar werden, das von der redlichen Bejahung ihres Wertes herkommt.
Da aber vom Boden der Sinne und der mit ihnen zusammenhängenden Gefühle solche Erfahrungen und Betätigungen auftauchen, die diese Durchsichtbarkeit der Liebe wegnehmen, ist eine besondere Tugend nötig, die von dieser Seite ihre wahre Beschaffenheit und ihr objektives Profil zu beschützen imstande wäre” (LuV 213).

Wir bemerken, dass von neuem die Frage der Begehrlichkeit auftaucht. Sie keimt auf dem Grundboden der geschlechtlichen Unterschiedlichkeit des Menschen auf, und im erörterten Fall bei der Beziehung von Mann und Frau in Perspektive ihrer Ehe. Wir benutzen fortwährend das „Studium”  von Erzbischof Wojtyła:

„... Der Unterschied des Geschlechts ist es, welcher das besondere sittliche Problem entstehen lässt. Denn die Person muss, eben weil sie Person ist, Objekt der Liebe sein. Dagegen das Geschlecht, das sich vor allem im Leib kundmacht und als Eigenschaft des Leibes unter die Sinne fällt, schafft die Möglichkeit des Begehrens.
Das Begehren des Fleisches ist eng mit der Sinnlichkeit verbunden ... Die Sinnlichkeit reagiert auf sexuelle Werte, die eben mit dem ‘Leib’ verbunden sind.
... [Infolge des ‘Interesse’ und der ‘Absorption’ mit sexuellen Werten] ... gibt es einen sehr leichten Übergang von dieser ersten Stufe auf die zweite Stufe, welche schon das Begehren darstellt. ...
Diese leicht verspürbare Leichtigkeit eines Überganges vom erwähnten ... Interesse – an das Begehren, vom Begehren zum Wollen – ist im inneren Leben der Person die Quelle großer Spannungen. Gerade in ihnen befindet sich die Tugend der Enthaltsamkeit” (LuV 215f.).

Der Erzbischof weist auf den Zusammenhang zwischen der Sinnlichkeit und dem Begehren hin:

„Die Reaktionen der Sinnlichkeit kennzeichnen sich mit ihrer ausgerichteten Beschaffenheit – und zwar nicht nur vonseiten des Objektes, wo die Begehrlichkeit des Fleisches nicht im Rahmen des sinnlichen Vermögens des Begehrens anhält, ... sondern sich dem Willen mitteilt und ihm die ihr eigene Einstellung zum Gegenstand aufzuerlegen sucht: ... Die Ausrichtung der Reaktion weist erstens auf ‘Leib und Geschlecht’ hin, und zweitens – auf ‘Nutznießung’.
Hierzu strebt das sinnliche Begehren, und zusammen mit ihm die ‘sinnliche Liebe’. Sie sucht nach Befriedigung im ‘Fleisch und Geschlecht’ mittels der Nutznießung ...
Die Sinnlichkeit ‘lebt sich im Begehren’ aus ... Die Begehrlichkeit des Fleisches geht in Richtung ‘des Auslebens’, wonach das ganze Verhältnis zum Gegenstand des Begehrens abbricht.
In der Welt der Tiere, wo der Fortpflanzungs-Instinkt, korrekt mit dem Bedarf nach Arterhaltung abgestimmt, das Geschlechtsleben regelt, genügt völlig solcher Abschluss der begehrlichen Reaktion.
In der Welt der Personen hingegen entsteht hier eine ernste Gefahr sittlicher Natur” (LuV 217f.).

Einmal mehr offenbart sich der unüberschreitbare Abgrund zwischen der Welt der Tiere, wo die sexuellen Bedürfnisse vom Instinkt geregelt werden, der auf die Arterhaltung ausgerichtet ist – und der Welt der Personen, die den gegenseitig sich durchdringenden Fleisch-Geist darstellen, samt dem Leben des Geistes, das für eine Person kennzeichnend ist.
– Bei dem Menschen sollen die Reflexe der Sinnlichkeit und des Begehrens seinem freien Willen unterliegen, das heißt seinem Vermögen der Selbst-Bestimmung, des Selbst-Bewusstseins, also der Vernunft, und der Verantwortung für eigene Betätigungen.
– Erzbischof Wojtyła erklärt die gerade erst signalisierte Gefahr des Einflusses der Begehrlichkeit auf die typisch menschlichen, personalen Vermögen:

„Diese Gefahr [= Ausrichtung der Sinnlichkeit auf Begierde, und diese auf den Willen] ist enge mit dem Problem der Liebe verbunden, und daselbst mit der Beziehung zur Person.
Die ‘leibliche Liebe’, die aus der Begehrlichkeit des Fleisches selbst entsteht, enthält diesen Wert in sich nicht, den die Liebe zur Person enthalten soll.
Die Begierde des Fleisches wechselt nämlich das Objekt der Liebe, das die Person ist, in ein anderes: und zwar in ‘Fleisch und Geschlecht’, verbunden mit einer Person. Die Regung der Sinnlichkeit richtet sich nicht ... auf die Person hin, sondern nur auf ‘Fleisch und Geschlecht’ einer konkreten Person – und geradezu nur als ‘auf mögliches Objekt zur Nutznießung’.
– Damit steht also im Blickfeld des Begehrens, das von der Begehrlichkeit des Fleisches herkommt, die Person des anderen Geschlechtes nicht mehr als Person, sondern als ‘Fleisch und Geschlecht’ da.
Anstelle des für die Liebe wesentlichen personalen Wertes drängt sich allein der Sex-Wert auf – und er wird zugleich zum Kristallisations-Mittelpunkt der ganzen Erfahrung. Indem aber diese Erfahrung vom sinnlichen Gefühl der Liebe begleitet wird, nimmt das Begehren den Charakter einer Liebe-Erfahrung an, die dabei stark und intensiv ist, da sie stark in den sexuellen Reaktionen des Leibes und in Sinnen stützt ...
‘Gefühl’ bedeutet in diesem Fall den sinnlichen Zustand, der zuerst durch das Begehren nach ‘Fleisch und Geschlecht’ hervorgerufen wird als dem, was allein der Sinnlichkeit entspricht, wonach die Befriedigung dieser Begehrlichkeit durch die ‘fleischliche Liebe’ folgt (LuV 218f.).

So lautet die zuständige, philosophisch-ethische Analyse der nicht leicht zu beschreibenden Erfahrungen einer sinnlichen Liebe. Gerade diese pflegen sowohl junge Leute, wie selbst schon Eheleute leicht mit der echten ‘heißen’ Liebe zu vertauschen.

Der Erzbischof schreibt weiter:

„Somit kann man nun sehen, worauf die moralische Gefahr besteht, die mit der Begehrlichkeit des Fleisches verbunden ist. Sie führt zu einer ‘Liebe’, die Liebe nicht ist. Sie löst nämlich Liebe-Erfahrungen aus auf der Grundlage allein der sinnlichen Begehrlichkeit und ihrer Befriedigung. Gegenstand dieser Erfahrungen ist die Person des anderen Geschlechts, aber sie sind zugleich der Person nicht gewachsen: sie halten nämlich nur am ‘Fleisch und Geschlecht’ an – als dem ihnen eigenen und einzigen Gehalt.
– Als Ergebnis folgt die Desintegration [= Zersetzung] der Liebe. Die Begehrlichkeit des Fleisches drängt – und sie tut es mit großer Macht, zur leiblichen Annäherung, zum sexuellem Verkehr, allerdings diese Annäherung und dieser Verkehr, der allein infolge der Begehrlichkeit des Fleisches hervorgerufen wird, vereinigt Mann und Frau nicht als Personen, ihm ist kein Wert einer personalen Vereinigung inne, er ist nicht Liebe im ihr eigentlichen (das heißt: ethischen) Sinn. Im Gegenteil: die Annäherung und der sexuelle Verkehr, der aufgrund allein der Begehrlichkeit des Fleisches aufwächst, stellt eine Gegenerklärung der Liebe der Personen dar. Denn zu seinem Grundboden dient hier die für die bloße Sinnlichkeit kennzeichnende Reaktion, die auf ‘Nutznießung’ ausgerichtet ist ...” (LuV 219).

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Emporheben der Liebe-Erfahrungen zur Ebene der Personen-Liebe

In diesem Augenblick erscheint die dem Menschen als Person eigene ethische Pflicht, die aus der personalistischen Norm herkommt, und daselbst vom Gebot der Nächstenliebe. Die Norm lässt es nicht zu, dass die andere Person auf den Grad eines Gegenstandes zur Nutznießung herabgeführt wird, also gleichsam eines nur ‘Dings’, das zur Auslösung des sexuellen Erlebnisses gebraucht wäre:

„Diese Reaktion [= Ausrichtung der Sinnlichkeit-Begehrlichkeit auf Nutznießen und Ausleben] muss erst in eine ordnungsmäßige und gebührliche Beziehung zu einer Person einverleibt werden. Das wird hier eben als Integration genannt.
Solange die Begehrlichkeit des Fleisches sich selbst überlassen wird, ist sie keine Quelle der Liebe einer Person, auch wenn sie ‘Liebe-Erfahrungen’ auslöst (erotische), die mit einer großen Dosis sinnlicher Gefühle geladen sind” (LuV 219).

Es erscheint die Aufgabe: wie die infolge der Sinne-Reaktionen angesichts des ‘Fleisches und Geschlechts’ sich weckenden Erfahrungen auf die Ebene emporgehoben werden sollen, die der personalistischen Norm und folgerichtig dem Gebot der Liebe, die im ehelichen Bund Sakrament der Ehe ist, entsprechen soll:

„Die Sinnlichkeit ... liefert der Liebe den ‘Rohstoff’ für die Liebe, aber unbedingt notwendig ist hinsichtlich dieses Rohstoffs eine angemessene schöpferische Haltung vonseiten des Willens. Ohne solche schöpferische Haltung kann es keine Rede von Liebe geben: es bleibt nur der Rohstoff, den die Begehrlichkeit des Fleisches allein verbraucht, indem sie sich ‘auf ihm auslebt’.
Es keimen dann innere und äußere Betätigungen auf, deren Gegenstand allein auf sexuellem Wert beruht, der mit der Person verbunden ist.
[= nutznießerische, konsumtive Beziehung zur Person] ...
Bei Personen, deren Sinnlichkeit sich hauptsächlich im ‘Tastvermögen’ äußert, herrscht die Tendenz nach äußeren Betätigungen.
Bei Personen, bei denen das Sehvermögen dominiert, und umso mehr das Vorstellungsvermögen (innere Sinne), gewinnen innere Taten Oberhand” (LuV 220).

Erzbischof Wojtyła fügt noch hinzu, dass zur eigenartigen natürlichen Sicherung in der Situation der aufkommenden Begehrlichkeit des Fleisches im gewissen Maß die Gefühlsregungen werden. Diese streben nicht so sehr in Richtung eines Auslebens am Fleisch und Geschlecht, sondern eher allein auf ‘Fraulichkeit’, beziehungsweise ‘Männlichkeit’, wodurch sie sich mit einer mehr inneren Beschaffenheit kennzeichnen – als Erweis und Bedarf nach ‘Liebe-Erweisen’ und ‘Geliebt-zu-sein’.
Es zeigt sich allerdings, dass solche ‘Idealisierung’ einer gefühlsgeladenen Liebe dem Niveau der bräutlichen Liebe gemäß der personalistischen Norm nicht gewachsen ist:

„Die Erfahrung lehrt, dass eine einseitig ‘idealistische’ Auffassung der Liebe später oft Quelle bitterer Enttäuschungen zu sein pflegt, oder auch sie führt zu ausgeprägt inkonsequenten Verhaltensweisen, besonders im ehelichen Leben.
Was die Gefühle einbringen ... ist nur noch ‘Rohstoff’ der Liebe.
Eine vollwertige Absicherung gegenüber der Begehrlichkeit des Fleisches findet man erst im tiefen Realismus der Tugend – es geht gerade um die Tugend der Keuschheit ...
– In dieser Auffassung wird die ‘Liebe’ Angelegenheit vor allem des Fleisches und Domäne der Begehrlichkeit, nur dass sich an sie eine Dosis von ‘Lyrik’ hinzugesellt, die von Gefühlsregungen herkommt. Es soll hinzugefügt werden, dass Gefühlsregungen, die nicht vonseiten der Tugend gestärkt sind, sich selbst überlassen, und so auf den Hintergrund der mächtigen Begehrlichkeit des Fleisches geworfen, meistens auf diese Rolle herabfallen ...” (LuV 221f.).

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Zauber des Subjektivismus bei Wertung der Annehmlichkeit

Es drängt sich der weitere Aspekt im Zusammenhang mit Sinnlichkeit und Begehrlichkeit auf: die Frage der subjektiven Wertung der zutage kommenden Erfahrungen im Rang der ‘sinnlichen Liebe’. Die Liebe der Person gegenüber der Person muss auf sie selbst – wie auch ‘um ihrer selbst willen’ ausgerichtet sein. Das wird dann gleichbedeutend mit objektiver, beiderseitiger Affirmation ihrer Personen sein. Diese wird zum Grundboden, dass diese beiden Personen sich vereinigen können.
Wenn dagegen jemand den objektiven Wert von seinem subjektiven Empfinden abhängig machen wollte, wirkt sich das beinahe sofort mit völliger Rückwendung der Ordnung der personalen Wahrheit aus:

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Gott beschenkt den Menschen, sein lebendiges Ebenbild angesichts des Weltalls, u.a. mit der Gabe entzückender Ansichte, voller zauberhafter Natur. Hier sieht man den Himmel - mit Spuren, die von Düsenflugzeugen hinterlassen wurden, alles über der sich ausweitenden schönen Natur, voller wunderbaren Farben.

„Der Subjektivismus des Wertes liegt darin, dass all diese objektiven Werte: sowohl die Person, wie auch ‘der Leib und das Geschlecht’, beziehungsweise ‘die Fraulichkeit oder die Männlichkeit’, nur und allein als Gelegenheit angesehen werden, um dadurch die Annehmlichkeit zu erreichen, oder auch verschiedene Abschattungen von Lust. Die Annehmlichkeit wird zum einzigen Wert und grundlegenden Maßstab bei aller Wertschätzung ...” (LuV 226).

Folgerichtig:

„Der Subjektivismus ... ist der Nährboden, auf dem der Egoismus heraufwächst. Sowohl der Subjektivismus wie auch der Egoismus widersetzen sich irgendwie der Liebe – erstens, weil die Liebe sich mit objektiver Ausrichtung kennzeichnet: auf die Person und ihr Gutes; zweitens, weil die Liebe altruistisch ausgerichtet ist: auf den anderen Menschen hin.
Im Gegensatz dazu, der Subjektivismus schiebt auf diesen Platz das Subjekt voraus, wie auch sein Erlebnis, er ist um die ‘Authentizität’ dieser Erfahrungen besorgt, um die subjektive Bestätigung der Liebe im Gefühlsleben allein.
Der Egoismus ist ausschließlich vom eigenen ‘Ich’, auf sein ‘Ego’ [= ich] einbenommen. Dabei sucht er nach dem Gut dieses seines ‘Ichs’, ohne überhaupt auf andere Menschen zu sorgen.
Der Egoismus schließt die Liebe aus, denn er schließt das gemeinsame Gut aus, er schließt auch die Möglichkeit einer Gegenseitigkeit aus, die doch immer auf Streben nach gemeinsamem Gut stützt ...” (LuV 228).

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4. Sünde
oder Liebe der Person – als Tugend

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Der Wert des ‘Leibes-Geschlechts’ und Streben nach Eins-in-Liebe

Die Auseinandersetzung der besprochenen Elemente, die den Rohstoff der bräutlichen Liebe ausmachen, heißt sie in ethischer Hinsicht zu bewerten, das heißt sie als moralisch Gutes oder Böses zu unterscheiden: der Sünde – und ihrer Struktur. Es gehört sich von neuem über die Begehrlichkeit zu beugen:

Die „Begehrlichkeit des Fleisches ist eine beständige Neigung, um die Person des anderen Geschlechts allein durch das Prisma des Sex-Wertes, als ‘Gegenstand zur möglichen Nutznießung’ zu betrachten. Die Begehrlichkeit des Fleisches bedeutet also die im Menschen schlummernde Bereitschaft zum Umsturz der objektiven Ordnung der Werte. Denn die korrekte Sicht und das Begehren nach der Person besteht auf Sicht und ‘Begehren’ durch den Wert der Person.
Bei solcher Sicht und solchem Begehren kann es nicht um irgendeine ‘A-Sexualität’ gehen, um Blindheit angesichts des Wertes von ‘Fleisch und Geschlecht’. Es geht dagegen darum, dass sich dieser Wert ordnungsgemäß in die Liebe der Person einschließt: in die Liebe im eigentlichen und vollen Sinn des Wortes.
Indessen die Begehrlichkeit des Fleisches bezieht sich auf die Person als ‘mögliches Objekt zur Nutznießung’ und zwar gerade wegen dieses Wertes ‘des Fleisches und Sexus’.
(während der Leib an sich, als Komponente der Person, ebenfalls Gegenstand der Liebe sein soll, um des Wertes der Person willen) ...” (LuV 233f.)

Gegenstand gleichsam der Versteigerung ist fortwährend das ‘Fleisch: der Leib’. Die Begehrlichkeit möchte die Aufmerksamkeit angesichts des Menschen: Mann und Frau – ständig nur auf den sexuellen Aspekt einengen, als auf Gegenstand zum sexuellen Ausleben an ihm.
Indessen der Leib soll geliebt werden um der Tatsache willen, dass er Leib der geliebten Person ist, daher wird er betrachtet als diese konkrete Person in ihrer Gesamtheit, die auf liebende Ehrachtung in ihrer Integralität als Leib-Seele zugleich wartet.

Die Erfüllung der vor beiden sich liebenden Personen stehenden Aufgabe: der Integrierung der aufkommenden Erfahrungen auf der Ebene der Sinne, und ihr Emporheben auf das Niveau der Liebe zur Person – mag schwierig erscheinen, dennoch sie ist immer möglich. Das setzt von ihnen das Bewusstbringen voraus: geht es uns allein um das Erlebnis, das durch den geschlechtlichen Leib ausgelöst wird, oder auch wir beabsichtigen die Vereinigung unserer Personen. Erst hier beginnt die Hinsicht sei es der Tugend, oder anderseits der Sünde zu erscheinen.

Wir verstehen auch immer besser, dass die Liebe zur Person als die Tugend der Liebe auf keinen Fall eine künstliche Abdämpfung bedeutet, beziehungsweise eine Abschwörung der Reflexe, die spontan erweckt werden, sooft die Männlichkeit mit Weiblichkeit zusammenkommt. Es geht dauernd darum, um nicht zuzulassen, dass jene Wahrnehmungen einen überherrschen, dagegen sie sollen bewusst auf das Niveau der erwählten Person selbst heraufgehoben werden als ihrer vollwertigen Bejahung und ihres Liebens mit Rücksicht auf das, was sie als Person ist in ihrem männlichen, beziehungsweise weiblichen Leib.
– In solcher Beleuchtung erscheint die Frage nach dem moralischen Gut und Böse. Hier die weiteren Erwägungen vom Erzbischof Wojtyła:

„Vom Blickpunkt aus der Struktur der Sünde ... soll ... hervorgehoben werden, dass weder die Sinnlichkeit noch die Begehrlichkeit des Fleisches als solche Sünde sind. Die katholische Theologie sieht in Begehrlichkeit des Fleisches nur den ‘Herd der Sünde’: ... eine beständige Neigung zum wollüstigen Begehren des Leibes der Person des anderen Geschlechts als ‘Objekt zur Nutznießung’, wogegen wir uns zur Person in über-nutznießerischer Art und Weise beziehen sollen (denn das ist im Begriff ‘lieben’ enthalten). ...
[Infolge der Ur-Sünde] ... kann der Mensch beim Zusammentreffen mit der Person des anderen Geschlechtes nicht schlechterdings und spontan nur ‘lieben’, sondern seine ganze Beziehung zu dieser Person wird innerlich durch den Wunsch nach ‘Nutznießung’ betrübt, der des Öfteren über das ‘Lieben’ herauswächst und der Liebe ihr eigentliches Wesen wegnimmt, wobei sie oftmals nur ihren Anschein behält” (LuV 235).

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Versuchung zur Sünde – und die Sünde

Die Sünde zu begehen wird offensichtlich erst möglich, wenn sich zu den spontan aufkommenden Reflexen der Sinnlichkeit der Akt der Einwilligung vonseiten des freien Willens anschließt – samt dem Engagement eines entsprechenden Grades des Bewusstseins. Die Begehrlichkeit des Fleisches an sich wird daher richtig als nur ‘Herd der Sünde’ genannt, also noch nicht die Sünde selbst:

„Ab dem Zeitpunkt an, wenn der Wille zustimmt, beginnt er das zu wollen, was in der Sinnlichkeit und dem sinnlichen Begehren ‘geschieht’. Von nun an geht es um etwas, das im Menschen nicht nur ‘geschieht’, sondern er selber beginnt irgendwie das zu ‘tun’ – zuerst nur innerlich, da doch der Wille unmittelbar Quelle der inneren ‘Betätigungen’ ist.
Diese Betätigungen haben moralischen Wert: sie sind gut oder böse – sind sie aber böse, werden sie als Sünde genannt ...
– ... Es ist bekannt, dass die Begehrlichkeit des Fleisches im Menschen ihre eigene Dynamik besitzt. In ihrer Kraft strebt sie danach, dass sie zum Wollen wird: zum Akt des Willens. Daher kann jemand bei Mangel an entsprechender Erkenntnis leicht etwas als Akt des Willens ansehen, was noch nur Erregung der Sinnlichkeit und Begehrlichkeit des Fleisches ist ... selbst dann, wenn der Wille sich deutlich widersetzt ...” (LuV 237f.).

Man muss einen klaren Begriff besitzen hinsichtlich des Unterschieds zwischen Sünde – und Nicht-Sünde. Das betrifft auch solche Situationen, wenn die Reaktionen des Leibes sich mit ihrer eigenen Dynamik – bis ‘zum Ende und Gipfel’ äußern sollten – dem Mangel an Zustimmung auf sie vonseiten des freien Willens zuwider. So ist die Versuchung allein. Eine Versuchung „öffnet nur den Weg zur ‘sündhaften Liebe’ und sucht danach, das ‘Übel’ zu verfälschen, indem es als das ‘Gute’ dargestellt wird” (vgl. LuV 239):

„Die Sünde keimt dann deswegen auf, weil der Mensch die Gefühle – der Person und Liebe nicht unterordnen will, sondern geradeaus umgekehrt – er will die Person und die Liebe dem Gefühl unterordnen.
... Der Wille verhüllt die Person mit Gefühl, dieses aber macht einen Strich über alle Gesetze und objektiven Prinzipien, mit denen die Vereinigung der Personen geleitet werden muss ...” (LuV 240f.).

An den so ablaufenden Vorgang schließt sich leicht der oben erwähnte Subjektivismus der Wertung:

„Der Subjektivismus drängt noch einen anderen Typus von Suggestion auf: Das sei gut, was angenehm ist. Die Versuchung der Annehmlichkeit, der Lust – ersetzt öfter die Sicht des wahren Glücks ...
[Es geht nicht um einen Fehler im Denken, sondern] ... dies folgt aus der Haltung des Willens, der die Annehmlichkeit, nach der die Sinnen begehren, will. Gerade dann geschieht es leicht, dass die Liebe – auf Befriedigung der Begehrlichkeit des Fleisches herabgeführt wird.
Sünde ist ... das bewusste Engagement des Willens dahin, wozu die Begehrlichkeit des Fleisches von sich aus hinneigt – der objektiven Wahrheit zuwider ...
Die Suggestion: ‘Das ist gut, was es Angenehmes ist’ – führt eine gründliche Entstellung des Willens im Fall herbei, wenn sie zum völligem Prinzip beim Handeln wird. Es bedeutet eine habituelle Unfähigkeit zum ‘Lieben’ der Person: Der Liebe – fehlt der Wille. Die Liebe als Tugend wurde vom Willen verdrängt und von Einstellung auf sinnlich-sexuelle Nutznießung allein ersetzt. Der Wille hat keinen Kontakt mit dem Wert der Person: er lebt eigentlich mit Verneinung der Liebe, und setzt der Begehrlichkeit des Fleisches keinen Widerstand.
Bei solcher Ausrichtung des Willens, lodert die Begehrlichkeit des Fleisches, ‘der Herd der Sünde’ – ganz frei ... In solchem Fall wird das ‘Lieben’ von ‘Nutznießung’ verdrängt. Das moralische Übel, das in der Sünde enthalten ist, liegt – wie bekannt, darin, dass die Person als ‘Gegenstand zum Nutznießen’ behandelt wird ...
Diese Ausrichtung ‘auf Nutznießung’ ... wird aber von erotischen Erfahrungen nicht enthüllt. Diese suchen mit aller Kraft einen ‘Geschmack der Liebe’ zu bewahren. Hier steckt die Erklärung, warum hier die Flucht von Reflexion und Denken vorgeht, da doch diese die unentbehrliche Notwendigkeit einer Objektivisation mit sich bringen würde: es müsste dann die Sündhaftigkeit der Liebe offenbart werden” (LuV 241f.).

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Liebe als nur ‘Einbildung’

Erzbischof Wojtyła enthüllt so die Wege der urewigen Verlogenheit der Wahrheit des Seins, deren sich gegenüber dem Menschen dieser bedient, der der Böse ist: Satan. Er schont keine Mühe um nur nicht zuzulassen, das der Mensch zu denken beginnt und das zu tun will, was in Gottes Augen das Gute, und erst so das Gute auch für den Menschen selbst ist, darunter auch für diese zweien, die mit Liebe verbunden sind: mit bräutlicher Liebe:

„Die besondere Gefahr der ‘sündhaften Liebe’ besteht in einem Vorschein: darauf, dass sie aktuell und vor einer Reflexion darüber nicht als ‘sündhaft’ erfahren wird, sondern vor allem als ob sie ‘Liebe’ sei ...
Die Sünde ist Verletzung des wahren Guten. Wahrhaftes Gut ist nämlich ... vor allem die Person, nicht aber das Gefühl an sich, noch umso mehr – die Annehmlichkeit an sich. Diese stellen immerhin nur sekundäres Gut dar: auf ihrem Grund an sich kann die Liebe auf keinen Fall aufgebaut werden, das heißt es gibt da keine beständige Vereinigung der Personen, auch wenn sie sich so machtvoll in ihrem subjektiven, psychologischen Profil kundtun. Man kann aber niemals die Person um ihrer willen aufgeben, denn in diesem Fall würde in die Liebe der Keim der Sünde eingeführt” (LuV 243f.).

Es bestätigt sich einmal mehr, dass die letzte Quelle der Sündhaftigkeit, und daselbst der Zurechnungsfähigkeit – die Freiheit des Willens des Menschen darstellt:

„Die Sünde... die in der ‘sündhaften Liebe’ enthalten ist, ist in ihrem Wesen selbst im freien Willen verwurzelt. Die Begehrlichkeit des Fleisches bildet dafür nur den ‘Herd’. Denn der Wille kann und soll die Desintegration der Liebe nicht zulassen; noch dass die Annehmlichkeit, oder wenn auch nur das Gefühl allein zu Ausmaßen eines selbständigen Guten herauswächst, dem sich alles andere unterordnet, was das Verhältnis zur Person des anderen Geschlechts angeht, oder auch den gegenseitigen Umgang und das Zusammenleben von Personen.
– Der Wille kann und soll sich nach der objektiven Wahrheit leiten lassen. Er kann, also er soll von der Vernunft verlangen, dass sie ihm die wahrhafte Sicht der Liebe und dieses Glücks vorführt, wie sie die Liebe der Frau und dem Mann zu bringen imstande ist” (LuV 244f.).

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Keuschheit – Weg um die Person zu lieben

Auf diesem Hintergrund erscheint von neuem die Frage nach dem eigentlichen Verständnis der Keuschheit und Reinheit als Tugend. Die Leute kehren manchmal um, wenn nur die ‘Keuschheit’ erwähnt oder von der Tugend der Reinheit gesprochen wird. Solche Reaktion ist typischer Ausdruck des grundsätzlichen Missverständnisses. Erzbischof Wojtyła schreibt:

„Der Mensch will den hohen Wert nicht anerkennen, der der Keuschheit für die menschliche Liebe gebührt, sooft er die volle und objektive Wahrheit über die Liebe von Mann und Frau nicht anerkennen will, wogegen er an ihre Stelle eine subjektivistische Fiktion setzt.
Wenn er hingegen diese objektive Wahrheit über die Liebe in ganzer Fülle annimmt, zeigt dann auch die Keuschheit jenen vollen Wert, sie erweist sich als ein großes Positiv des menschlichen Lebens, als grundsätzliches Symptom der ‘Kultur der Person’, welches seinerart den wesentlichen Kern der ganzen menschlichen Kultur als Ganzes ausmacht” (LuV 245f.).

Folgerichtig vermerkt der Erzbischof, dass „... man noch viel stärker die Verwandtschaft zwischen Keuschheit und Liebe herausstellen und betonen soll” (LuV 250). In weiterer Folge stellt er fest:

„Die Keuschheit kann unmöglich begriffen werden ohne die Tugend der Liebe zur Person. Ihre Aufgabe besteht darin, die Liebe von der Haltung der Nutznießung zu befreien.
Diese Haltung ... fließt nicht nur von der ... Sinnlichkeit an sich, oder auch der Begehrlichkeit des Fleisches, sondern auch vom Subjektivismus der Gefühle, und umso mehr vom Subjektivismus der Werte, der Wurzeln im Willen fasst und unmittelbare Bedingungen schafft, die die verschiedenen Egoismen begünstigen ...
Dies sind die nächsten Anlagen für eine ‘sündhafte Liebe’, und gerade in ihr ist jene Verhaltensweise auf ‘Nutznießen’ enthalten, das aber mit dem Anschein einer Liebe verhüllt ist” (LuV 250).

Erst so offenbart sich die eigentliche Bedeutung der Keuschheit in ihrem personalistischen – weil nach Gottes Sicht – Verständnis:

„Die Tugend der Keuschheit, deren Aufgabe es ist, die Liebe von der Haltung der Nutznießung zu befreien, muss nicht nur die Sinnlichkeit und die Begehrlichkeit des Fleisches umfangen, sondern gleichsam noch mehr jene inneren Zentren im Menschen, in denen die nutznießerische Haltung ausgebrütet wird und sich von da aus herausbildet.
Es kann keine Keuschheit geben, wenn die erwähnten Formen des Subjektivismus im Willen und die unter ihnen verborgenen Egoismen nicht überwunden werden. Die Haltung nach Nutznießung ist umso mehr gefährlich, je mehr sie im Willen getarnt weilt. Die ‘sündhafte Liebe’ wird meistenfalls nicht als ‘sündhaft’ genannt, sondern schlechterdings als ‘Liebe’. Es werden Bemühungen unternommen, dass sowohl sich selbst, wie den anderen die Überzeugung aufgedrängt wird, es wäre nämlich schon so und könne nicht anders sein.
– Keusch zu sein bedeutet: eine ‘durchscheinbare’ Einstellung gegenüber der Person des anderen Geschlechts zu haben. Die Keuschheit bedeutet so viel, wie die ‘Durchscheinbarkeit’ des Inneren, ohne die die Liebe nicht sie Selbst ist: sie kann nämlich nicht sie Selbst sein, solange das Verlangen nach ‘Nutznießung’ – nicht der Bereitschaft zum ‘Lieben’ in jeder Situation untergeordnet ist” (LuV 250f.).

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Er konnte immer so tief hineinschauen: direkt in die Seele des Menschen! Es ist dieser Liebe . Heilige Vater Johannes Paul II., der immer so nahe aller Jugendlichen war!

Es folgt die unentbehrliche Erklärung und Präzisierung:

„Diese ‘Durchscheinbarkeit’ der Beziehung zu Personen des anderen Geschlechts kann nicht auf künstlicher Verdrängung des Wertes des ‘Leibes-Fleisches’ ... ins Unterbewusstsein beruhen, kann nicht gleichbedeutend sein mit Schaffen eines solchen Anscheins, als ob sie nicht bestünden, beziehungsweise nicht einwirkten.
– Sehr oft wird die Keuschheit gleichsam als eine ‘blinde’ Unterdrückung der Sinnlichkeit und der Erregungen des Leibes begriffen, wobei die Werte des ‘Fleisches’ und die Werte des Sexus in das Unterbewusstsein herabgedrängt werden – und dort auf eine Gelegenheit warten, die sie auszubersten lässt ...
– Indessen die Keuschheit bedeutet vor allem ein ‘Ja’, und erst von ihm kommt dann ein ‘Nein’ hervor (LuV 251).

Anders gesagt, jede Behauptung, dass die die Keuschheit allein auf negativer Beschaffenheit dieser Tugend beruhen sollte, das heißt als ob die Keuschheit nur ein ‘Nein’ bedeuten sollte (also: das, und jenes auch – darfst du nicht anrühren-anfassen, noch daran denken) entbehrt allen Grundes: sie widersetzt sich ihrer eigentlichen Beschaffenheit. Spricht jemand davon, dass die Keuschheit allein ein ‘Nein’ bedeutet, zeugt das jedes Mal von ihrem gründlichen Nicht-Begreifen und ihrer Verarmung:

„Die Unterentwicklung der Tugend der Keuschheit besteht darin, dass jemand der Affirmation des Wertes der Person ‘nicht Schritt halten kann’: er lässt sich mit allein den Sexus-Werten niederhalten, die, nachdem sie den Willen beherrscht haben, die ganze Beziehung zum anderen Geschlecht schlecht gestalten.
Das Wesen der Keuschheit besteht gerade darin, dass in jeder Situation mit dem Wert der Person ‘Schritt gehalten wird’ und jede Reaktion angesichts des Wertes von ‘Fleisch und Geschlecht’ an ihn ‘emporgezogen wird’. Das setzt eine besondere innere, geistige Anstrengung voraus, weil die Bejahung des Wertes der Person nur Frucht des Geistes werden kann. Es ist aber vor allem eine positive, schöpferische, ‘von Innen her’ kommende Anstrengung, also nicht eine vor allem negative und destruktive Bemühung.
Es geht demnach nicht um ‘Vernichtung’ im Bewusstsein des Wertes von ‘Fleisch und Geschlecht’, indem ihre Erfahrungen ins Unterbewusstsein herabgedrängt werden sollten, sondern um ihre beständige und langdauernde Integration. Der Wert von ‘Fleisch und Geschlecht’ muss im Wert der Person begründet und eingepflanzt werden” (LuV 251f.).

Solche Einstellung und zugleich grundsätzliche Richtigstellung des öfter begegneten falschen Verständnisses der ‘Keuschheit’ lässt ihre Schönheit erblicken, und umso mehr ihre Unentbehrlichkeit als Ausgangspunktes, dass die bräutliche Liebe in ihren edelsten Kennzeichen erscheinen kann. Dank ihnen wird die liebende Person zugleich in ihrer geistigen Haltung durchscheinend und strahlt mit Gutem – sowohl diesem anderem, dem Geliebten, wie endlich jedem anderen Menschen überhaupt gegenüber:

„Die wahre Keuschheit führt weder zu ... irgendeiner Verachtung des Leibes, noch Herabsetzung der Ehe und des Geschlechtslebens. Zu dieser Wirklichkeit würde die in einem gewissen Maß verfälschte ‘Keuschheit’ führen, die Keuschheit mit einer Unterfärbung von Pharisäismus, und umso mehr geradeaus die Unkeuschheit ...
Voraussetzung, dass der volle Wert des menschlichen ‘Fleisches und Geschlechts’ anerkannt und erlebt wird, ist gerade jene ‘Hochwertung’: sein Emporheben zum Wert der Person. Das ist eben das symptomatische und wesentliche bei der Keuschheit.
– Demzufolge ist nur ein keuscher Mensch, nur eine keusche Frau und ein keuscher Mann fähig, lieben zu können. Die Keuschheit befreit nämlich ihren gegenseitigen Umgang, und ebenfalls ihren ehelichen Verkehr, von Einstellung auf Nutznießung der Person, die in ihrem objektiven Wesen dem ‘Lieben’ widerspricht, und daselbst in diesen Umgang und diesen Verkehr die besondere Verfügung einführt, das sie zu ‘lieben’ fähig wird. ...” (LuV 252f.).

So kommen wir zum Endschluss, dass nämlich jede ‘Liebe’ ohne die ‘Keuschheit’ letztlich eine Trügerei ist: sie fällt auf einen getarnten nutznießerischen Gebrauch von ‘Fleisch und Geschlecht’, sollte er auch trügerisch unter dem Kryptonym einer ‘heißen (erotischen) Liebe’ vortreten.
– Wir hören noch einmal die Zusammenfassung des erörterten Themas vom angeführten „Studium” des Erzbischofs Karol Wojtyła:

„Der Zusammenhang der Keuschheit mit Liebe ergibt sich aus der personalistischen Norm, die ... einen zweifachen Inhalt zutage bringt: den positiven (‘Du sollst lieben’) und diesen negativen (‘Du sollst nicht nutznießen’).
Anderes, dass alle Leute ... erst innerlich und äußerlich zu solchem keuschen ‘Lieben’, heranwachsen müssen, sie müssen zu seinem ‘Geschmack’ heranreifen, da doch jeder Mensch von Natur aus mit der Begehrlichkeit des Fleisches belastet ist, und daher den ‘Geschmack’ der Liebe vor allem in ihrer Befriedigung zu erblicken hinneigt.
Aus diesem Grund ist die Keuschheit eine schwierige und langangelegene Aufgabe. Es muss auf ihre Früchte gewartet werden: auf die Freude des Liebens, die sie hervorbringen soll.
Zugleich aber ist gerade die Keuschheit der untrügliche Weg zu diesem Ziel” (LuV 253).

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RE-Lektüre: VII.Teil, Kapitel 3, ad ‘f’.
Stadniki, 18.IX.2015.
Tarnów, 5.VI.2022.


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F. NOCH EINMAL ERWÄGUNGEN PAPST WOJTYLA’S
ZUM THEMA ‘LIEBE’


Zur Erklärung

1. Trieb und die Person: die berufene Person
Befähigung-Berufung zur Liebe – dem größten Gebot
Text. Die Person kann nicht zum Mittel zum Ziel werden
Das ‘Eins’ in Ganzheitlichkeit der Hingabe, unternommen
aufgrund der freien Wahl

Text. Trieb untergeordnet dem Willen-Freiheit
-Verantwortung

Text. Eheliche Liebe als Ganzheitlichkeit
In Mit-Erschaffung einbezogene Vereinigung
Text: Ehegatten in Mit-Erschaffung
Teilnahme der Vernunft – des Willens – der Verantwortung
Text: Begehrlichkeit untergeordnet der Vernunft
-Verantwortung

Text: Synthese von Natur und personalistischer Norm:
Tugend der Liebe


2. Bestandteile der bräutlichen Liebe
Integration von Sinnlichkeit-Gefühle-Wahrnehmungen in
die personale Liebe

Text: Bräutliche Liebe - Selbst-Besitz des eigenen ‘Ich’
Text. Integration der Sinnlichkeit in reife Beziehung zur
Person

Text. Liebe - Frage des Inneren: der Freiheit-Wahrheit
Text. Freiheit die letzte Instanz der objektiven Wahrheit
bei Wahl der Person

Integrierungsvorgang der Reflexe des Leibes in Liebe als
Tugend

Text. Person: Struktur-Vollkommenheit
Text. Liebe-Tugend: Verbindung der Wahrnehmungen mit
der Person

Text. Sinnliche und Gefühlsgeladene Liebe reicht zur
Liebe der Person nicht aus

Text. Bejahung des Wertes der Person: Beherrschung
und Wahl der Person als Berufung

Gegenseitige Zugehörigkeit – beiderseitige Hingabe
Text. Liebe - gewisse Resignation von Un-Abtrittbarkeit –
Ekstase

Text. Liebe – Vereinigung von Personen, nicht aber
beiderseitige Hingabe-Nutznießung des Fleisches

Text. Objektives Profil: Gegenseitigkeit-Freundschaft
Vereinigung im Guten

Text. Sexueller Wert verbunden in Bewusstsein-Willen mit
Person

Text. Bejahung der eigenen Person und des Geliebten:
Gabe der Gegenseitigkeit

Wahl der Person um ihrer selbst willen: zu ihrem Guten
ohne Grenzen

Text. Wahl der Person um ihrer Selbst willen
Text. Wohlwollen des Guten ohne Grenzen
Text. Auslösung des Verlangens nach Besser-Sein

3. Keuschheit: dieses große ‘Nein’ – oder das große ‘Ja’
Quelle und Täuschung wegen der ‘sinnlichen Liebe’
Text. Liebe ist Durchscheinbarkeit in Bejahung der Person
Text. Begehrlichkeit nötigt das Wollen
Text. Sinnlichkeit ausgerichtet auf Ausleben: bei der
Person moralische Frage

Text. Sinnliche Liebe als Befriedigung der Begehrlichkeit:
Wechsel der Person in Geschlecht

Text. Sinnliche Liebe - Verleugnung der Liebe der Person
Emporheben der Liebe-Erfahrungen zur Ebene der
Personen-Liebe

Text. Domination des Sinnes der Berührung oder des
Sehvermögens

Text. Geschick der Gefühle nicht gestärkt mit Tugend der
Liebe

Zauber des Subjektivismus bei Wertung der
Annehmlichkeit

Text. Fleisch-Geschlecht: Gelegenheit die Annehmlichkeit
zu erfahren

Text. Egoismus des Erfahrens, der das gemeinsame Gut
und die Gegenseitigkeit ausschließt


4. Sünde oder Liebe der Person – als Tugend
Der Wert des ‘Leibes-Geschlechts’ und Streben nach
Eins-in-Liebe

Text. Begehrlichkeit: Nutznießung der Person als Fleisch
Geschlecht

Text. Nutznießung oberhalb der Liebe der Person
Versuchung zur Sünde – und die Sünde
Text. Das Gute was annehmlich ist: Flucht von Reflexion
Liebe als nur ‘Einbildung’
Text. Sünde als Fiktion der Liebe die nicht zur
Vereinigung der Personen führt

Text. Zurückweisung der objektiven Wahrheit, wenn die
Vernunft keine Sicht der wahren Liebe zeigt

Keuschheit – Weg um die Person zu lieben
Text. Keuschheit befreit von Haltung der Nutznießung
Text. Keuschheit: durchscheinende Beziehung zur Person
und Durchscheinbarkeit des Inneren

Text. Keuschheit: innere Mühe und schöpferische
Affirmation der Person

Text. Nur ein keuscher – fähig zu lieben
Text. Heranreifen zur Keuschheit und Freude des Liebens


Bilder-Fotos

Abb.2. Rettungsaktion der Lebenden und Verstorbenen nach
dem Erdbeben

Abb.1. Die Rettungsaktion nach dem Erdbeben wird
weiterverfolgt

Abb.3. Mutter mit schlafendem Baby am Arm
Abb.4. Jüngling aus Indien: er gestaltet bewusst seinen schönen
Charakter

Abb.5. Wunderbare Ansicht des Himmels und der farbigen Natur
Abb.6. Johannes Paul II. mit vertrauendem Blick vor
Jugendlichen